Die Ungetroesteten
ihren Arbeitsplatz früh verlassen hatten, um sich jetzt bei einem Kaffee und ihrer Zeitung zu entspannen. Tatsächlich kam ich, als ich über den Platz ging, an etlichen Büroangestellten vorbei, die mit ihren Aktentaschen in Gruppen zusammenstanden und vergnügt miteinander plauderten.
Als ich bei den Tischen ankam, verbrachte ich eine ganze Weile damit, auf und ab zu gehen und nach einer Frau Ausschau zu halten, die die Tochter des Hoteldieners sein könnte. Zwei Studenten debattierten über einen Film. Ein Tourist las die Newsweek. Eine alte Frau warf ein paar Tauben, die sich zu ihren Füßen versammelt hatten, Brotkrumen hin. Aber ich sah keine einzige junge Frau mit langem dunklem Haar und mit einem kleinen Jungen. Ich betrat das Café, es war ein enger, recht düsterer Raum mit nur fünf oder sechs Tischen. Jetzt verstand ich, wie die Sache mit der Überfüllung, die der Hoteldiener erwähnt hatte, während der kälteren Monate zu einem wirklichen Problem werden konnte, doch im Augenblick war der einzige Gast dort ein alter Mann mit Baskenmütze, der ziemlich weit hinten saß. Ich beschloß, meine Suche aufzugeben, und ging wieder nach draußen, und während ich mich nach einem Kellner umschaute, bei dem ich etwas Kaffee bestellen könnte, hörte ich plötzlich eine Stimme, die meinen Namen rief.
Ich schaute mich um und sah eine Frau, die mit einem kleinen Jungen an einem Tisch ganz in der Nähe saß und mir zuwinkte. Die beiden entsprachen eindeutig der Beschreibung des Hoteldieners, und ich begriff nicht, wie ich sie vorher hatte übersehen können. Außerdem war ich ein wenig verblüfft darüber, daß sie mich offenbar erwarteten, und so verging ein Moment, ehe ich zurückwinkte und zu ihnen hinüberging.
Obwohl der Hoteldiener sie als »junge Frau« bezeichnet hatte, war Sophie mittleren Alters, etwa um die Vierzig. Trotz alledem war sie in gewisser Weise attraktiver, als ich erwartet hatte. Sie war recht groß, von schlankem Wuchs, und ihr langes dunkles Haar verlieh ihr ein zigeunerartiges Aussehen. Der Junge neben ihr war ein richtiges kleines Pummelchen, und im Moment warf er seiner Mutter recht böse Blicke zu.
»Nun?« Sophie schaute lächelnd zu mir auf. »Wollen Sie sich nicht setzen?«
»Doch, doch«, antwortete ich, als mir klar wurde, daß ich die ganze Zeit unschlüssig dagestanden hatte. »Das heißt, wenn Sie nichts dagegen haben.« Ich grinste dem Jungen zu, der jedoch nur voller Mißbilligung zu mir herübersah.
»Natürlich haben wir nichts dagegen. Stimmt’s, Boris? Boris, sag hallo zu Mr. Ryder.«
»Hallo, Boris«, sagte ich und setzte mich.
Immer noch schaute mich der Junge voller Mißbilligung an. Dann sagte er zu seiner Mutter: »Warum hast du zu ihm gesagt, daß er sich hinsetzen kann? Ich war doch gerade dabei, dir was zu erklären.«
»Das ist doch Mr. Ryder, Boris«, entgegnete Sophie. »Er ist ein ganz lieber Freund. Natürlich kann er sich zu uns setzen, wenn er mag.«
»Aber ich war doch gerade dabei, dir zu erklären, wie die Voyager geflogen ist. Ich habe doch gewußt, daß du mir nicht zuhörst. Du solltest dir mehr Mühe geben, besser aufzupassen.«
»Tut mir leid, Boris«, sagte Sophie und lächelte mich kurz an. »Ich habe mir wirklich schreckliche Mühe gegeben, aber diese ganze Wissenschaft ist einfach zu hoch für mich. Also, warum sagst du nicht hallo zu Mr. Ryder?«
Boris schaute mich einen Moment lang an und sagte dann mürrisch: »Hallo.« Dann schaute er sofort wieder weg.
»Bitte, ich möchte nicht Anlaß für irgendwelchen Ärger sein«, sagte ich. »Bitte, Boris, erzähl nur, was du gerade erzählen wolltest. Mich würde es übrigens auch sehr interessieren, etwas über dieses Flugzeug zu hören.«
»Das ist kein Flugzeug«, sagte Boris gequält. »Das ist eine Fähre für den Raumflug. Aber das würden Sie genausowenig verstehen wie Mutter.«
»Ach? Woher weißt du denn, daß ich das nicht verstehen würde? Ich könnte doch einen sehr wissenschaftlichen Verstand haben. Man sollte über Menschen nicht so schnell ein Urteil fällen, Boris.«
Er seufzte tief und hielt den Blick immer noch abgewendet. »Sie sind bestimmt genau wie Mutter«, sagte er. »Sie können sich nicht konzentrieren.«
»Ach, hör schon auf, Boris«, sagte Sophie. »Du solltest ein bißchen netter sein. Mr. Ryder ist wirklich ein sehr lieber Freund von uns.«
»Nicht nur das«, sagte ich, »ich bin auch ein Freund von deinem Großvater.«
Zum erstenmal sah Boris mich
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