Die Ungetroesteten
eine richtige alte Schachtel geworden.«
»Aber obwohl du jetzt vielleicht alt wirst, bist du doch immer noch schön.«
»Also so etwas!« Wieder lachte sie. »Wie kannst du nur so etwas sagen!«
»Tut mir leid«, sagte ich und lachte auch. »Ich meine, du bist überhaupt nicht älter geworden. Nicht so, daß man es sehen würde.«
»Nicht so, daß man es sehen würde?!«
»Ich weiß nicht...« Verwirrt lachte ich wieder. »Vielleicht hast du abgehärmt und häßlich ausgesehen. Ich kann mich gar nicht mehr erinnern.«
Sophie lachte erneut und verstummte dann. Als sie wieder zu sprechen anfing, war ihre Stimme ernst. »Aber ich habe eine erbärmliche Figur gemacht. Ich werde nie mit dir auf Reisen gehen können, solange ich so bin.«
»Hör doch, ich verspreche dir, ich gehe jetzt nicht mehr auf Reisen. Heute abend, wenn alles gutgeht, wer weiß. Vielleicht war es das dann.«
»Und mir tut es leid, daß ich immer noch nichts gefunden habe. Ich verspreche dir, ich werde bald etwas für uns finden. Etwas wirklich Behagliches.«
Darauf fiel mir nicht sofort etwas ein, und eine Weile schwiegen wir beide. Dann hörte ich sie sagen:
»Und es macht dir wirklich nichts aus? Wie ich mich gestern abend benommen habe? Wie ich mich immer benehme?«
»Das macht mir überhaupt nichts aus. Du darfst dich bei solchen Gelegenheiten benehmen, wie du willst. Tu, was du magst. Es ist mir alles recht. Du bist mehr wert als all diese Menschen zusammen.«
Sophie sagte nichts. Nach einer Weile fuhr ich fort:
»Es ist zum Teil auch meine Schuld. Das mit dem Haus, meine ich. Es ist ungerecht, daß ich dich allein nach einem Haus suchen lasse. Vielleicht können wir es von jetzt an anders machen, vorausgesetzt, alles geht gut heute abend. Wir könnten doch zusammen nach etwas suchen.«
Am anderen Ende der Leitung herrschte Schweigen, und einen Augenblick lang fragte ich mich, ob Sophie überhaupt noch dran war. Aber dann sagte sie in einer fernen, verträumten Stimme:
»Wir finden doch bestimmt bald etwas, oder?«
»Ja, natürlich. Wir machen uns gemeinsam auf die Suche. Zusammen mit Boris. Wir finden etwas.«
»Und du kommst bald, ja? Um uns zu Papa zu bringen?«
»Ja, ja. Ich komme, so schnell ich kann. Also macht euch schnell fertig, ihr beide.«
»Ja, gut.« Ihre Stimme klang wieder so fern, und es war nichts von Eile darin zu spüren. »Ich gehe Boris jetzt wecken. Ja, gut.«
Als ich aus der Telefonzelle trat, hatte ich den Eindruck, daß sich am Himmel deutlich die Morgendämmerung ankündigte. Ich sah die Menschen um Brodsky herum, und als ich näher kam, konnte ich den Chirurgen ausmachen, der auf den Knien kauerte und vor sich hin sägte. Brodsky schien dieses Martyrium klaglos hinzunehmen, doch gerade in dem Moment, als ich beim Wagen anlangte, stieß er einen gräßlichen Schrei aus, der durch die Bäume schallte.
»Ich muß jetzt fahren«, sagte ich, ohne jemanden direkt anzureden, und tatsächlich schien mich auch niemand zu hören. Doch als ich dann die Wagentür schloß und den Motor anließ, drehten sich alle Gesichter voller Entsetzen zu mir. Bevor ich das Fenster hochkurbeln konnte, kam Geoffrey Saunders angelaufen.
»Na hör mal«, sagte er wütend. »Hör mal. Du kannst doch jetzt nicht einfach wegfahren. Wenn wir ihn befreit haben, werden wir ihn irgendwo hinschaffen müssen. Wir werden deinen Wagen brauchen, begreifst du das denn nicht? Das versteht sich doch wohl von selbst.«
»Also hör mal, Saunders«, sagte ich bestimmt. »Ich sehe ja, daß ihr hier Probleme habt. Ich würde auch gerne helfen, aber ich habe getan, was ich tun konnte. Ich muß mich jetzt um meine eigenen Angelegenheiten kümmern.«
»Das ist typisch für dich, alter Knabe«, sagte er. »Einfach typisch.«
»Hör mal, du hast doch keinen Schimmer. Wirklich, Saunders, du hast keinen Schimmer. Ich habe mehr Verpflichtungen zu erfüllen, als du dir überhaupt vorstellen kannst. Versteh doch, ich führe eben einfach nicht deine Art von Leben!«
Ich hatte diesen letzten Satz herausgeschrien, und ich merkte, daß sogar der Chirurg in seiner Arbeit innegehalten hatte und zu mir herüberschaute. Soweit ich sehen konnte, hatte selbst Brodsky für den Augenblick seine Schmerzen vergessen und starrte mich an. Ich war leicht verunsichert und sagte in verbindlicherem Ton:
»Tut mir leid, aber ich muß mich wirklich um eine sehr dringende Angelegenheit kümmern. Bis Sie soweit sind, bis Mr. Brodsky in einem Zustand ist, der einen Transport
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