Die Ungetroesteten
sich zu Boris um. »Du meinst doch den Holländer, oder?«
»Die Nummer Neun ist der bisher beste Spieler in der Geschichte des Fußballs«, gab Boris zur Antwort.
»Ja, aber welche Nummer Neun meinst du?« In der Stimme von Geoffrey Saunders schwang jetzt Ungeduld mit. »Wie heißt er? In welcher Mannschaft spielt er?«
»Boris nennt ihn einfach nur...«
»Einmal hat er in den letzten zehn Minuten siebzehn Tore geschossen!« sagte Boris.
»Ach, so ein Unsinn.« Geoffrey Saunders schien wirklich verärgert zu sein. »Ich dachte, du meinst das im Ernst. Dabei hast du nur Unsinn geredet.«
»Das stimmt!« schrie Boris. »Das war Weltrekord!«
»Ja, richtig!« fiel ich ein. »Weltrekord!« Dann gewann ich meine Fassung wieder und lachte auf. »Das heißt, das muß es ja wohl gewesen sein, nicht?« Ich lächelte Geoffrey Saunders mit flehentlichem Blick an, doch er nahm keine Notiz von mir.
»Aber von wem sprichst du denn? Meinst du diesen Holländer? Außerdem solltest du einsehen, mein lieber Junge, daß das Toreschießen nicht alles ist. Die Verteidiger sind genauso wichtig. Die wirklich großen Spieler sind oft Verteidiger.«
»Die Nummer Neun ist der bisher beste Spieler in der Geschichte des Fußballs!« sagte Boris wieder. »Wenn er in Form ist, kann ihn kein Verteidiger stoppen!«
»Das stimmt«, sagte ich. »Die Nummer Neun ist zweifellos der beste Spieler der Welt. Im Mittelfeld, vorne, überall. Er macht einfach alles. Wirklich.«
»Das ist Unsinn. Ihr habt beide keine Ahnung, wovon ihr redet.«
»Und ob wir eine Ahnung haben.« Inzwischen war ich richtig wütend auf Geoffrey Saunders geworden. »Was wir da sagen, ist doch nun wirklich allgemein bekannt. Wenn Nummer Neun in Form ist, in richtig guter Form ist, schreit der Reporter in dem Moment ›Tor‹, in dem er den Ball bekommt, egal wo auf dem Spielfeld das passiert...«
»Ach du meine Güte.« Geoffrey Saunders drehte sich angeekelt weg. »Wenn du den Kopf von deinem Jungen tatsächlich mit solch einem Blödsinn vollstopfst, dann gnade ihm Gott.«
»Also hör mal...« Ich kam mit meinem Gesicht ganz nah an sein Ohr und flüsterte ärgerlich. »Hör mal, begreifst du denn nicht...«
»Das ist Blödsinn. Du stopfst den Kopf von deinem Jungen mit lauter Blödsinn voll...«
»Aber er ist noch jung, er ist doch nur ein kleiner Junge. Begreifst du nicht...«
»Das ist noch lange kein Grund, ihm den Kopf mit lauter Blödsinn vollzustopfen. Übrigens sieht er so jung nun auch wieder nicht aus. Ich finde, ein Junge in seinem Alter sollte schon was Anständiges machen. Sollte anfangen, seinen Beitrag zu leisten. Er sollte was über das Tapezieren lernen, zum Beispiel, oder über das Fliesenlegen. Nicht all diesen Unsinn über eingebildete Fußballspieler...«
»Ach, du Idiot. Sei doch ruhig. Sei doch endlich ruhig.«
»Ein Junge in seinem Alter – es ist doch höchste Zeit, daß er seinen Beitrag leistet...«
»Das ist mein Junge, ich sage, wann es Zeit für ihn ist...«
»Tapezieren, Fliesenlegen, irgend so etwas. Ich finde, das ist die richtige...«
»Ach hör doch auf, was weißt du denn schon davon? Was weißt du denn schon – ein armseliger, einsamer Junggeselle? Was weißt du denn schon davon?«
Ich gab ihm einen kräftigen Stoß gegen die Schulter. Plötzlich wirkte Geoffrey Saunders ganz niedergeschmettert. Er schlurfte ein paar Schritte vor uns her und ging dann weiter mit leicht vorgebeugtem Kopf voran, seinen Regenmantel hielt er immer noch vor der Brust zusammen.
»Ist schon gut«, sagte ich leise zu Boris. »Wir sind bald da.«
Boris antwortete nicht, und ich sah, daß er die Gestalt von Geoffrey Saunders anstarrte, der vor uns herschlurfte.
Während wir weitergingen, verrauchte allmählich die Wut auf meinen alten Schulfreund. Im übrigen hatte ich nicht vergessen, daß wir darauf angewiesen waren, daß er uns den Weg zur Bushaltestelle zeigte. Ein paar Augenblicke später schloß ich zu ihm auf, trat ganz nah an ihn heran und fragte mich, ob er wohl noch mit mir sprechen würde. Zu meiner großen Überraschung hörte ich Geoffrey Saunders leise vor sich hin murmeln:
»Ja, ja, wir bereden das dann alles, wenn du mal zum Tee zu mir kommst. Wir reden über alles, verbringen ein paar wehmutsvolle Stunden miteinander und klatschen über die Schule und alte Schulfreunde. Ich habe dann mein Zimmer aufgeräumt, und wir können zu beiden Seiten des Kamins in den bequemen Sesseln sitzen. Ja, das Zimmer sieht ganz so aus wie eines,
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