Die Ungetroesteten
derartigen Programmpunkt auf meinem Terminplan zu haben, und beschloß, die Angelegenheit zu vergessen.
»So, da wären wir«, sagte Stephan neben mir. »Also, wenn Sie mich nun kurz entschuldigen würden. Bitte machen Sie es sich so bequem wie möglich. Ich bin zurück, so schnell es geht.«
Wir hatten vor einem großen weißen Wohnhaus gehalten. Es hatte mehrere Stockwerke, und durch die dunklen, gußeisernen Balkone hatte es etwas Spanisches.
Stephan stieg aus dem Auto, und ich sah ihn zum Eingang gehen. Er beugte sich zu den Klingeln hinunter, drückte auf eine und stand dann wartend da, seine Haltung ließ eine gewisse Nervosität erkennen. Einen Augenblick später ging im Hausflur Licht an.
Die Tür wurde von einer ältlichen silberhaarigen Frau geöffnet. Sie wirkte schmal und zerbrechlich, doch es war eine gewisse Anmut in ihren Bewegungen, als sie Stephan lächelnd hereinbat. Die Tür schloß sich hinter ihm, aber als ich mich in meinem Sitz zurücklehnte, sah ich die beiden immer noch hell erleuchtet in der schmalen Glasscheibe seitlich der Eingangstür. Stephan trat sich die Füße ab und sagte:
»Tut mir leid, daß ich ohne große Voranmeldung erscheine.«
»Ach, Stephan, ich habe Ihnen doch schon so oft gesagt«, erwiderte die ältere Dame, »daß ich immer für Sie da bin, wenn Sie sich mal aussprechen wollen.«
»Also, eigentlich, Miss Collins, ist es gar nicht... Also, es geht gar nicht um das Übliche. Ich wollte über etwas ganz anderes mit Ihnen reden, eine recht wichtige Angelegenheit. Vater wäre gern selbst gekommen, aber, na ja, er ist im Moment so beschäftigt...«
»Ach so«, unterbrach die Frau ihn lächelnd, »es geht um etwas anderes, auf das Ihr Vater Sie angesetzt hat. Er läßt Sie also immer noch die Schmutzarbeit erledigen.«
Das sagte sie in neckischem Tonfall, doch Stephan schien das nicht zu bemerken.
»Keineswegs«, erwiderte er ernst. »Im Gegenteil, diese Mission ist von besonders heikler und schwieriger Natur. Vater hat sie mir anvertraut, und ich habe das gern übernommen...«
»Ich bin also schon eine Mission geworden! Noch dazu eine von heikler und schwieriger Natur!«
»Aber nein. Ich wollte sagen...« Stephan schwieg verwirrt.
Die ältere Dame schien zu glauben, daß sie Stephan genug gehänselt hatte. »Na schön«, sagte sie, »wir gehen besser hinein und besprechen das in aller Ruhe bei einem Glas Sherry.«
»Sehr freundlich von Ihnen, Miss Collins. Aber eigentlich kann ich nicht lange bleiben. Im Wagen warten ein paar Leute.« Er deutete in unsere Richtung, doch die ältere Dame war schon dabei, ihre Wohnungstür zu öffnen.
Ich sah, daß sie Stephan durch einen kleinen und ordentlichen Flur führte, durch eine weitere Tür und dann einen dämmrigen Korridor entlang, dessen Wände zu beiden Seiten mit kleinen, gerahmten Aquarellen geschmückt waren. Der Korridor führte in den Salon von Miss Collins – einen geräumigen, L-förmigen Raum im hinteren Teil des Gebäudes. Das Licht im Raum war gedämpft und erweckte eine behagliche Stimmung, und auf den ersten Blick wirkte der Raum auf eine teure und altmodische Weise elegant. Bei näherer Betrachtung sah ich jedoch, daß die meisten Möbel sehr abgewetzt waren und daß die Stücke, die ich zunächst für Antiquitäten gehalten hatte, in Wirklichkeit kaum mehr als Trödel waren. Ehemals luxuriöse Sofas und Sessel in reparaturbedürftigem Zustand füllten den Raum, und die bodenlangen Samtvorhänge waren fleckig und ausgefranst. Stephan setzte sich mit einer Selbstverständlichkeit, die seine Vertrautheit mit der Umgebung verriet, sah aber weiterhin nervös aus, während sich Miss Collins an dem Schränkchen mit den Getränken zu schaffen machte. Als sie ihm schließlich ein Glas reichte und sich zu ihm setzte, brach es plötzlich aus dem jungen Mann heraus: »Es hat mit Mr. Brodsky zu tun.«
»Aha«, sagte Miss Collins. »So etwas Ähnliches hatte ich mir schon gedacht.«
»Es ist so, Miss Collins, wir haben uns gefragt, ob Sie uns eventuell helfen würden. Beziehungsweise ihm helfen würden...« Stephan lachte auf, schwieg dann und schaute weg.
Miss Collins legte den Kopf nachdenklich zur Seite. Dann fragte sie: »Sie möchten, daß ich Leo helfe?«
»Oh, wir möchten ja nicht, daß Sie etwas tun, das für Sie unangenehm oder... nun ja, schmerzlich ist. Vater versteht voll und ganz, wie Sie sich fühlen müssen.« Er lachte wieder auf. »Es ist nur so, daß Ihre Hilfe in diesem Stadium von Mr.
Weitere Kostenlose Bücher