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Die Ungetroesteten

Titel: Die Ungetroesteten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kazuo Ishiguro
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herausgekommen, um mir vor dem Schlafengehen noch einen Film anzusehen.«
    »Einen Film? Was für einen Film?«
    »Woher soll ich wissen, was für einen Film? Irgendeine Spätvorstellung. Hier gibt es ein Kino gleich um die Ecke. Ich habe mir gedacht, ich gehe einfach hin und gucke mir den Film an, egal, was für einer läuft. Es ist wirklich ein sehr schwerer Tag gewesen.«
    Ich war inzwischen weitergegangen, diesmal entschlossener. Nach einer Weile hörte ich mit großer Genugtuung, daß sie hinter mir herkam.
    »Bist du wirklich nicht wütend?« fragte sie, als sie mich eingeholt hatte.
    »Natürlich nicht. Warum sollte ich wütend sein?«
    »Kann ich mitkommen? Ins Kino?«
    Ich zuckte mit den Schultern und ging mit unveränderter Geschwindigkeit weiter. »Wie du willst. Ich habe nichts dagegen.«
    Sophie griff nach meinem Arm. »Wenn du magst, mache ich jetzt reinen Tisch. Ich erzähle dir alles. Alles, was du wissen willst über...«
    »Also hör mal, wie oft soll ich es dir denn noch sagen? Das interessiert mich alles überhaupt nicht. Ich will jetzt wirklich nichts anderes als nur ein bißchen abschalten. In den nächsten paar Tagen werde ich unter großem Druck stehen.«
    Sie hielt immer noch meinen Arm, und eine Weile gingen wir schweigend nebeneinanderher. Dann sagte sie leise:« Das ist wirklich schön. Daß du so viel Verständnis hast.«
    Darauf erwiderte ich nichts. Einen Augenblick später verließen wir den Bürgersteig und gingen mitten auf der menschenleeren Straße weiter.
    »Wenn ich erst einmal ein richtiges Zuhause für uns gefunden habe«, sagte sie schließlich, »dann wird auch alles besser. Ganz bestimmt. Was das Haus betrifft, das ich mir morgen ansehe, bin ich wirklich sehr zuversichtlich. Es hört sich an, als wäre es genau das, wonach wir schon so lange gesucht haben.«
    »Ja. Wollen wir es hoffen.«
    »Du könntest wirklich etwas mehr Begeisterung zeigen. Jetzt könnte sich für uns alles zum Guten wenden.«
    Ich zuckte mit der Schulter und ging weiter. Das Kino war noch ein ganzes Stück weit weg, aber weil es so ungefähr das einzige erleuchtete Gebäude auf der dunklen Straße war, hatten wir es schon vor einiger Zeit entdeckt. Als wir dann näher kamen, seufzte Sophie, sie blieb stehen und hielt mich immer noch fest.
    »Vielleicht komme ich doch nicht mit«, sagte sie, während sie meinen Arm losließ. »Das Haus morgen anzusehen, wird eine ganze Weile dauern. Ich muß früh raus. Ich gehe wohl besser wieder zurück.«
    Aus irgendeinem Grund kamen ihre Worte sehr überraschend für mich, und einen Moment lang war ich mir nicht sicher, was ich darauf sagen sollte. Ich schaute zum Kino, dann wieder auf Sophie.
    »Aber ich dachte, du hast gesagt, du wolltest...«, fing ich an, dann, nach einer Pause, sagte ich etwas ruhiger: »Also es ist ein wirklich guter Film. Ich bin sicher, er wird dir gefallen.«
    »Aber du weißt doch nicht einmal, welcher Film läuft.«
    Mir schoß der Gedanke durch den Kopf, daß sie irgendeine Art Spiel mit mir spielte. Aber wie auch immer, eine merkwürdige Panik hatte mich allmählich erfaßt, und es wollte mir nicht gelingen, ohne diesen flehentlichen Ton in der Stimme zu sprechen.
    »Du weißt schon, was ich meine. Der Angestellte an der Rezeption. Er hat es mir vorgeschlagen. Ich weiß, er ist ein sehr zuverlässiger Mann. Und das Hotel muß schließlich an seinen guten Ruf denken. Es ist ziemlich unwahrscheinlich, daß sie etwas empfehlen, das…« Ich brach ab, und die Panik nahm jetzt noch weiter zu, als Sophie sich allmählich entfernte. »Hör doch« – ich hob die Stimme, inzwischen war es mir egal, wer mich hörte – »ich weiß, das wird ein guter Film. Und wir sind schon so lange nicht mehr zusammen im Kino gewesen. Das stimmt doch, oder? Wann haben wir das letzte Mal so etwas zusammen unternommen?«
    Sophie schien darüber nachzudenken, dann lächelte sie schließlich und kam zu mir zurück.
    »Na schön«, sagte sie und faßte mich sanft beim Arm. »Na schön. Es ist zwar schon spät, aber ich komme mit dir. Du hast ja recht, es ist eine Ewigkeit her, daß wir so etwas zusammen unternommen haben. Komm, wir wollen uns amüsieren.«
    Ich verspürte eine beträchtliche Erleichterung, und als wir das Kino betraten, hätte nicht viel gefehlt, und ich hätte sie fest an mich gepreßt. Sophie schien das irgendwie zu ahnen und schmiegte den Kopf an meine Schulter.
    »Das ist wirklich schön«, sagte sie leise. »Daß du nicht wütend auf mich

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