Die unglaublichen Abenteuer des Barnaby Brocket (German Edition)
Cockney-Akzent With a Little Bit o’ Bloomin Luck aus My Fair Lady zu singen.
»Du gehst da hin – oder du bekommst kein Abendessen«, sagte Claudia zu ihm, als er elf Jahre alt war und sich darüber beschwerte, dass er gezwungen wurde, für die Rolle des Jeremy Potts in einer Laienspielaufführung von Tschitti Tschitti Bäng Bäng vorzusprechen.
»Aber ich will nicht Jeremy Potts sein«, jammerte Alistair. »Ich möchte Alistair Brocket sein.«
»Und wer ist Alistair Brocket?«, schimpfte Rupert, der entsetzt war, dass sein Sohn sich eine so wundervolle Gelegenheit entgehen lassen wollte. »Niemand! Gar niemand! Möchtest du so dein Leben verbringen? Ohne dass dich irgend jemand beachtet? Schau dir deine Mutter und mich an – wir hätten große Stars in der Filmindustrie werden können, aber wir haben alles aufgegeben, um die Eltern eines undankbaren Jungen zu werden. Und das ist der Dank dafür.«
Alistair erwiderte nichts. Er wusste ganz genau, dass seine Eltern seinetwegen überhaupt nichts aufgeben mussten und dass sie schon Jahre vor seiner Geburt versucht hatten, Schauspieler zu sein – der mangelnde Erfolg hing also nicht mit ihm zusammen.
Zu seinem großen Entsetzen und weil es keine besseren Bewerber gab, bekam Alistair die Rolle. Wochenlang ging er widerstrebend zu den Proben. Er konnte sich seinen Text nicht merken und hatte immer furchtbar Angst, wenn er singen musste. Es war schlimm genug, wenn nur die anderen Darsteller und der Regisseur zuschauten, aber wenn er sich ausmalte, dass lauter Zuschauer in einem dunklen Theatersaal saßen, musste er sich immer fast übergeben.
»Ich möchte das nicht«, sagte er an dem Tag, als das Stück zum ersten Mal aufgeführt werden sollte, zu seinen Eltern. »Bitte, zwingt mich nicht.«
Aber er konnte sagen, was er wollte – es gelang ihm nicht, sie umzustimmen, und als er ein paar Stunden später die Bühne betrat, fühlten sich seine Beine an wie Wackelpudding. Während der nächsten zwei Stunden konnte er sich, selbst bei großzügiger Schätzung, an höchstens fünf Prozent seines Textes erinnern, er fiel zweimal von der Bühne, stolperte sechs Mal über die Füße seiner Partnerin und sah aus, als würde er gleich in die Hose machen, als Grandpa Potts sang, dass aus der Asche, ja, aus der Asche die Rosen des Erfolgs erblühen.
Die Regionalzeitung brachte eine vernichtende Kritik, und in der Schule wurde er am nächsten Tag von seinen Klassenkameraden ausgelacht.
»Nie wieder«, sagte er zu seinen Eltern, als er abends nach Hause kam. Er wünschte sich nur eins: dass der Erdboden sich öffnen und ihn mit Haut und Haar verschlingen würde. »Ich gehe nie wieder auf die Bühne, und ihr könnt mich nicht zwingen. Es ist demütigend. Ich werde nie, nie wieder aus der Menge hervorstechen.«
Während er jetzt, gut dreißig Jahre später, zur Haustür ging, war Alistair immer noch wütend auf seine Eltern, ob er wollte oder nicht, weil sie ihm damals, als er noch so klein war, eine derart traumatische Erfahrung zugemutet hatten. Wenn sie ihm einfach erlaubt hätten, er selbst zu sein – ein stilles, nachdenkliches, liebenswürdiges Kind –, dann hätte er vielleicht nie so eine grauenhafte Angst davor entwickelt, beachtet zu werden.
Und dann wäre es ihm eventuell auch nicht so wichtig gewesen, was andere Leute über seine Kinder dachten.
»Irgendwas in der Post?«, fragte Eleanor, als er in die Küche kam, wo seine Familie beim Frühstück saß. Henry und Melanie sagten nichts. Sie schwiegen fast die ganze Zeit, weil sie ihren Eltern demonstrieren wollten, wie sehr sie Barnaby vermissten, aber weder Alistair noch Eleanor machte ihnen die Freude, dies zu bemerken. Alistair blickte zur Decke, von der Barnabys Matratze erst kürzlich abgenommen worden war, und zerknüllte die Postkarte, steckte sie in die Tasche und nahm sich vor, sie später am Vormittag bei der Arbeit in den Papierkorb zu werfen.
Er schüttelte den Kopf. »Nein, nichts«, sagte er, aber seine Stimme klang ein bisschen unsicher. »Nur Rechnungen und Werbung.«
Kapitel 11
Der Wattestäbchen-Prinz
»Endhaltestelle! Endhaltestelle!«
Barnaby schlug die Augen auf und streckte sich. Zuerst wusste er gar nicht, wo er war. Aber dann fiel es ihm wieder ein: Er saß im Fonseca Express.
»Hier drin riecht es nach Kaffee«, sagte der Schaffner und öffnete das Fenster, um frische Luft hereinzulassen.
»Das ist mein Gepäck«, erklärte Barnaby, richtete sich auf und löste den
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