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Die unglaublichen Abenteuer des Barnaby Brocket (German Edition)

Die unglaublichen Abenteuer des Barnaby Brocket (German Edition)

Titel: Die unglaublichen Abenteuer des Barnaby Brocket (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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in Müllhalden, in Mülleimern, in Müllhaufen – schuf er auf den Wänden in der Stadt phantastische Bilder mit ungewohnten Farbkombinationen und merkwürdigen Mustern, und die Bilder führten der Welt vor, wie es im Herzen dieses Präsidenten aussah. Die Leute waren begeistert von Vincente, und die Polizei wollte ihn festnehmen. Wenn sie ihn gefunden hätten, wäre er sofort im Gefängnis gelandet, vielleicht hätte man ihn sogar hingerichtet. Als Miss Ethel und Miss Marjorie eines Abends in der Stadt waren, begegneten sie ihm zufällig und folgten ihm in das Elendsviertel, in dem er lebte. Sie haben gesehen, dass er dort ganz allein in einer Ecke hauste, auf einem Haufen Pappkartons.«
    »Wo waren seine Eltern?«
    »Verschwunden«, antwortete Palmira. »Also haben die beiden Vincente mitgenommen auf die Kaffeefarm und ihn hier großgezogen, als wäre er ihr eigener Sohn. Sie haben ihm eine Schulbildung ermöglicht, ihm saubere Leinwand und teure Pinsel und Farbe gekauft. So haben sie dafür gesorgt, dass sich seine Begabung jeden Tag weiterentwickeln konnte. Schließlich wurde er ein großartiger Maler und zog nach New York, wo er schon bald als einer der bedeutendsten Künstler gefeiert wurde. Und das hat er alles den beiden Damen zu verdanken.«
    »Hier gibt es offenbar viele Leute ohne Familie«, sagte Barnaby. »Ethel und Marjorie haben mir erzählt, dass sie auch von ihrer Familie weggeschickt wurden. Weil sie anders waren. Aber mir kommen sie total normal vor.«
    Palmira lächelte. »Weil sie total normal sind«, sagte sie. »Genau wie wir alle. Ihre Vorstellung, was normal ist, unterscheidet sich nur von der Vorstellung, die andere Leute von ›normal‹ haben. Aber so ist die Welt, in der wir leben. Manche Menschen können einfach nichts akzeptieren, was außerhalb ihrer Erfahrung liegt.«
    »Meine Mutter hat vor mir auch noch nie jemanden gekannt, der schwebt«, sagte Barnaby. »Ich glaube, deshalb hat sie ein Loch in meinen Rucksack geschnitten.« Er überlegte, dann senkte er den Kopf. »Vielleicht hat sie mich einfach nicht geliebt«, sagte er. »Jedenfalls nicht so, wie ich bin.«
    »Jede Mutter liebt ihr Kind«, sagte Palmira, legte den Arm um ihn und zog ihn an sich. »Egal, was es tut oder wer es ist. Das weiß ich ganz genau. Ich weiß es jetzt schon.«
    Barnaby schmiegte sich an sie und sagte nichts mehr. Es machte ihn sehr traurig, dass er hier in Brasilien saß, bei Menschen, die er kaum kannte, und dass er nicht in Sydney war und für Captain W. E. Johns einen Ball durchs Wohnzimmer werfen konnte. Am liebsten wäre er den ganzen Nachmittag so sitzen geblieben, in Palmiras Armen, doch da hörten sie hinter sich ein Geräusch. Sie drehten sich schnell um – am anderen Ende der Scheune stand Thiago. Anscheinend hatte er ihnen zugehört. Vielleicht lag es daran, wie das Sonnenlicht durch die einander gegenüberliegenden Tore fiel, aber Barnaby war fest davon überzeugt, dass Thiagos Wangen nass waren, als hätte er geweint. Er konnte allerdings nicht lang genug hinschauen, denn als sie sich umdrehten, wusste Thiago natürlich, dass sie ihn bemerkt hatten, und schon war er wieder draußen auf der Kaffeefarm verschwunden.

    Am Freitagabend organisierten die Damen ein Grillfest für Barnaby, um ihm für seine Reise zurück nach Australien alles Gute zu wünschen. Sie überreichten ihm in einem bunten Umschlag zwei Fahrkarten, die eine für den Zug nach Rio de Janeiro, die andere für das Flugzeug nach Sydney. Als er sich später bei ihnen für ihre zahlreichen Wohltaten bedanken wollte, unterhielten sie sich gerade mit einer der Frauen, die auf der Farm arbeitete.
    »Und Palmira hat nichts mehr von ihm gehört, seit er weg ist?«, sagte Marjorie, und Barnaby runzelte die Stirn. Über wen sprachen sie?
    »Kein Wort hat sie von ihm gehört. Ich glaube, es ist eher wahrscheinlich, dass die Steinzeit zurückkehrt, als dass dieser Junge wieder nach Sâo Paolo kommt«, sagte die Frau, die Maria-Consuela hieß. »Eher werden die Dinosaurier wieder die Erde beherrschen. Wir haben alle von Anfang an gewusst, dass er nichts taugt. Ich habe es gleich gesagt, wie Sie wissen. Ich brauchte nur einen einzigen Blick auf dieses hübsche Gesicht zu werfen, und schon war mir klar, er ist der Teufel in Menschengestalt. El Diablo ! Und ich schwöre Ihnen, wenn Thiago ihn je irgendwo findet, dann gibt es einen Riesenzoff.«
    »Nun, wenn dieser gefühllose junge Mann verschwunden ist, dann kann ich nur sagen: weg

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