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Die unglaublichen Abenteuer des Barnaby Brocket (German Edition)

Die unglaublichen Abenteuer des Barnaby Brocket (German Edition)

Titel: Die unglaublichen Abenteuer des Barnaby Brocket (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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Narben sind«, fuhr er fort und rieb sich seufzend die Augen. »Willst du es wirklich hören?«
    »Wenn es Ihnen nichts ausmacht«, sagte Barnaby, der es unbedingt hören wollte.
    »Es macht mir gar nichts aus«, sagte Charles. »Aber es ist keine schöne Geschichte, und sie hat kein Happyend.«
    »Die meisten Geschichten haben kein Happyend«, sagte Barnaby. »Ich weiß noch nicht, wie meine eigene ausgeht, aber ich würde sehr gern Ihre Geschichte hören.«

Kapitel 15
    Der Brand im Studio
    Draußen wurde es allmählich dunkel, und manche Fahrgäste im Wagen machten die kleinen Lämpchen über ihren Köpfen an, um weiterlesen zu können, oder knipsten sie aus, weil sie lieber schlafen wollten.
    »Ich war noch ein Junge, als mir etwas ganz Schreckliches passiert ist«, begann Charles, der nun ganz leise sprach. »Erst acht Jahre alt.«
    »Ich bin auch acht«, sagte Barnaby.
    »Na, dann verstehst du vielleicht, wie ich mich gefühlt habe. Meine Mutter, die du in der Zeitung gesehen hast, hatte bei uns zu Hause in Brooklyn ein Fotostudio eingerichtet, im obersten Stockwerk. Im mittleren wohnten meine Eltern, Eva und ich. Und im Erdgeschoss hat mein Vater seine Kollektionen entworfen. Meine Eltern haben beide viel gearbeitet und waren auch sonst sehr beschäftigt – oft kam es einem so vor, als wären sie bei allem, was sich in New York ereignete, mitten drin. Sie pflegten nur mit extrem schönen Menschen Umgang – mit Menschen, die so waren wie sie selbst, mit Models, die perfekte Gesichter hatten, mit Filmstars und kulturellen Ikonen. Das war ihre Version von ›normal‹. Berühmte Schauspieler, Musiker, Schriftsteller, Maler – jeden Tag gingen sie bei uns aus und ein, und nur gelegentlich fiel unseren Eltern auf, dass Eva und ich ebenfalls in der Wohnung lebten.«
    »Ist Ihre Schwester die Ältere?«, wollte Barnaby wissen.
    »Nein, sie ist ein paar Jahre jünger als ich. Demnächst wird sie dreißig. Das ist der Grund, weshalb sie auf dem Foto so ein Gesicht macht, als würde sie sich fürchten. Jedenfalls war ich ein paar Wochen vor meinem neunten Geburtstag allein im Haus. Das kam ganz selten vor, weil unser Haus ja das Zentrum eines ganz bestimmten Universums war und nicht das Haus einer Familie. Ich ging nach oben ins Fotostudio und fing an, die Kontaktabzüge zu studieren, weil ich wusste, dass meine Mutter oft Aufnahmen von unbekleideten Models machte. Und ich interessierte mich zunehmend für Fotos von Models, die nichts anhatten.«
    Barnaby kicherte. Genau in dem Moment kam eine Zugbegleiterin mit einem großen Korb voller Süßigkeiten durch den Wagen und schnarrte mit lauter Stimme »Snacks und Schokolade!«, so dass von ihrem Singsang die Hälfte der Passagiere aufwachte. Als sie zu Charles kam, musste sie zweimal hinschauen und ging dann schnell weiter, obwohl Barnaby gern ein paar Bretzelchen gekauft hätte. Ihm wurde immer klarer, wie unhöflich sich viele Leute verhielten, wenn sie jemandem begegneten, der ein bisschen anders aussah.
    »Jedenfalls steht in so einem Fotostudio sehr viel Krempel herum«, fuhr Charles fort. Er tat so, als hätte er die unmögliche Reaktion gar nicht bemerkt, obwohl sie ihm garantiert nicht entgangen war. »Eine riesige Menge von Flaschen und Flüssigkeiten, Toner, Entwickler, lauter solches Zeug. Ich machte etwas, was ich eigentlich nicht tun durfte, versteht sich, und die Katastrophe war vorprogrammiert. Ich stieß gegen eine Lampe, die Lampe fiel auf einen Haufen Filmmaterial, und ehe ich kapierte, was los war, stand der ganze Raum in Flammen.«
    Barnaby schnappte erschrocken nach Luft und schlug sich die Hand vor den Mund. Er wusste noch genau, wie es war, als es im Klassenzimmer der Akademie für unerwünschte Kinder brannte – er hatte geglaubt, er müsse sterben –, und wenn nicht der tapfere Liam McGonagall mit seinen Haken gekommen wäre, dann wäre er ja auch gestorben. Noch Wochen danach hatte er Albträume gehabt, in denen er in einem brennenden Raum gefangen war und nicht davonschweben konnte.
    »Was danach passiert ist, weiß ich nicht genau, ich kann mich nur schwer erinnern«, sagte Charles nach einer Weile. Er blickte auf seinen Schoß, nicht zu Barnaby, während er an jenen Nachmittag vor fünfundzwanzig Jahren dachte. »Blitzschnell brannte das ganze Haus lichterloh, hat man mir später erzählt. Aber irgendwie hat einer der Feuerwehrmänner es geschafft, mich herauszuholen. Als ich aufwachte, lag ich im Krankenhaus, auf der Station für

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