Die unglaublichen Abenteuer des Barnaby Brocket (German Edition)
schon spät, und wir haben noch einige Stunden vor uns. Bist du müde?«
»Ja, eigentlich schon«, sagte Barnaby.
»Gut, dann mach die Augen zu, und wenn du aufwachst, bist du in Toronto, der schönsten Stadt der Welt.«
»Aber die schönste Stadt ist Sydney«, sagte Barnaby, der schon merkte, wie ihn der Schlaf übermannte. »Was nicht viele Menschen wissen.«
Der Zug fuhr am frühen Morgen in den Bahnhof ein. Charles und Barnaby wachten auf und blickten sich mit müden Augen um, als der Schaffner rief: »Toronto! Endhaltestelle!«
»Du musst das Ding da wieder nehmen«, sagte Charles, holte Barnabys Rucksack mit den Eisengewichten aus dem Gepäckfach und half ihm beim Aufsetzen. Sie ignorierten Betty-Ann und ihre Mutter, als sie ausstiegen, durchquerten die Bahnhofshalle und gingen hinaus auf die Straße, froh, dass sie sich endlich die Beine vertreten konnten.
»Wir winken dir ein Taxi – du musst nur sagen, dass du zum internationalen Flughafen möchtest«, sagte Charles, »hier ist dein Flugticket. Der Flug ist leider sehr lang, aber du bist ja auf dem Heimweg.«
»Ach, das macht mir sowieso nichts«, sagte Barnaby. »Hauptsache, ich komme hin.«
»Ich wüsste gern …«, sagte Charles und setzte sich noch einmal mit ihm auf eine Bank. »Ich weiß, was deine Eltern mit dir gemacht haben – und trotzdem willst du nach Hause.«
»Ja, klar.«
»Aber warum – nachdem sie dich so gnadenlos weggeschickt haben?«
»Weil sie meine Familie sind«, sagte Barnaby mit einem Achselzucken.
»Aber sie wollten dich nicht haben.«
»Sie sind trotzdem meine Familie«, sagte Barnaby noch einmal, als wäre das die logische Schlussfolgerung. »Und ich werde ja nie eine andere Mutter und einen anderen Vater haben, stimmt’s?«
Charles nickte nachdenklich. »Und was ist, wenn sie dich wieder wegschicken?«, fragte er. Barnaby runzelte die Stirn.
»Keine Ahnung«, antwortete er. »So weit habe ich noch nicht vorausgedacht. Ich weiß nur so viel: Sie sind in Sydney, und egal, was sie mir angetan haben – ich will trotzdem nach Hause. Vielleicht sagen sie ja, dass es ihnen leid tut. Und vielleicht meinen sie das sogar ehrlich. Wenn sie das tun, dann – ich glaube, das würde mir reichen. Wir alle machen Fehler, stimmt’s?«
Charles grinste, konnte aber der schlichten Logik des Jungen nichts entgegensetzen. »Na gut«, sagte er und erhob sich. »Rufen wir dir ein Taxi.«
Er hielt die Hand in die Luft, und fast sofort hielt ein Wagen.
Barnaby kletterte hinein. »Vielen Dank für alles!«, rief er.
»Gern geschehen. Komm gut nach Hause.«
Barnaby stieg ins Taxi und drehte sich noch einmal um. Er dachte, dass Charles sicher gleich in sein Büro eilen würde, aber zu seiner Überraschung hatte sich sein Freund wieder hingesetzt und starrte auf sein Handy. Seine Finger schwebten lange in der Luft, doch dann schien er eine Entscheidung zu treffen und wählte eine Nummer.
Das Taxi fuhr los. Barnaby grinste und schaute wieder nach vorn. Bestimmt würden Charles und seine Familie bald wieder vereint sein, genau wie er und seine Familie.
Und genau in diesem Moment stolperte sein Herz kurz, weil er merkte, dass er zwar seinen Rucksack und die Eisengewichte dabei hatte und auch sein Flugticket … aber etwas ganz Wesentliches fehlte ihm, das er unter Garantie für den Taxifahrer brauchte.
»Ich habe kein Geld«, murmelte er, und schon fuhr das Taxi an den Straßenrand, die hintere Tür wurde aufgerissen, und Barnaby Brocket landete unsanft auf einer ihm völlig unbekannten kanadischen Straße.
Kapitel 16
Ein winziges Bonbon, das große Probleme verursachte
Ehe Barnaby auch nur darüber nachdenken konnte, was er jetzt tun sollte, kam eine riesige Menschenmenge die Straße entlang und direkt auf ihn zu. Es waren Hunderte von Leuten, alle trugen das gleiche blau-weiße Trikot mit einem großen A in der Mitte, und Barnaby wurde von der Menge verschluckt. Krampfhaft hielt er seinen Rucksack fest, während sie nun links an der Hafenfront vorbeigingen und danach scharf nach rechts abbogen, wo sie alle miteinander in ein gigantisches Stadion mit offenem Dach strömten. Während sich die Fans in den verschiedenen Sektionen der Arena verteilten, setzte sich Barnaby auf einen leeren Platz am Ende einer Reihe und blickte hinauf zu dem imposanten Turm neben dem Stadion, der weit in den Himmel ragte.
Barnaby liebte Sport, schon immer, aber er war noch kein einziges Mal zu einem Footballspiel mitgenommen worden – Eleanor sagte,
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