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Die unglaublichen Abenteuer des Barnaby Brocket (German Edition)

Die unglaublichen Abenteuer des Barnaby Brocket (German Edition)

Titel: Die unglaublichen Abenteuer des Barnaby Brocket (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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Verbrennungen, und mein Gesicht war mit diesem widerlichen Gel bedeckt. Meine Haut brannte fürchterlich unter der Salbe, und ich hatte überall dicke Verbände. Die Schmerzen waren unerträglich. Erst nach vielen Wochen konnte ich mich endlich aufsetzen und in den Spiegel schauen, und da sah ich eine Mumie aus dem alten Ägypten vor mir. Es war grauenhaft. Für einen Jungen in meinem Alter der Weltuntergang.«
    Barnaby dachte an die Mumien, über die er im Rahmen des Geschichtsunterrichts etwas gelesen hatte, und versuchte sich vorzustellen, wie es wäre, so eingewickelt zu sein, aber es gelang ihm nicht.
    »Ich musste monatelang im Krankenhaus bleiben. Als die Ärzte die Verbände abnahmen, sah ich sogar noch schlimmer aus als jetzt, weil die Narben sich noch nicht beruhigt hatten. Selbst die Krankenschwestern konnten mich nicht richtig anschauen, dabei waren sie ja an Brandopfer gewöhnt. Ich musste eine Operation nach der anderen über mich ergehen lassen, endlos, endlos. Ich wurde auf Station neun Jahre alt, und je größer ich wurde, desto mehr dehnte sich auch meine Gesichtshaut, und ich sah noch grässlicher aus. Und meine Eltern, die ja schon immer größten Wert auf äußere Schönheit gelegt hatten … na ja, sie konnten es einfach nicht fassen, wie ihr Sohn jetzt aussah. Am Anfang besuchten sie mich jeden Tag, aber mit der Zeit wurden die Besuche seltener, und schon bald sah ich sie nur noch einmal in der Woche. Dann fingen sie an, immer nur abwechselnd zu kommen. Meine Mutter sagte, mein Vater müsse eine Kollektion abschließen, und mein Vater sagte, dass meine Mutter den ganzen Tag eine Gruppe von Filmstars fotografieren musste, die gemeinsam zu Mittag essen und ihre Frisuren vergleichen. Eva kam nie – das heißt, sie kam ein einziges Mal, und da schrie sie so laut, dass man sie wegbringen musste, damit sie die anderen Patienten nicht zu sehr erschreckte. Danach reduzierten sich die Besuche auf einmal im Monat. Dann wurden sie durch Telefonanrufe ersetzt. Dann bekam ich noch ab und zu einen Brief. Und schließlich hörte ich gar nichts mehr von ihnen.«
    »Aber das ist ja schrecklich!«, sagte Barnaby.
    »Ich gehörte nicht mehr zu ihnen«, fuhr Charles fort. »Ich war völlig anders als sie. Vom Krankenhaus kam ich in ein Kinderheim. Und es war, als hätte meine Familie beschlossen, dass ich gar nicht existiere. Am Morgen meines sechzehnten Geburtstags stand ich ganz früh auf, packte meine Sachen und ging nach Kanada. Dort fing ich ein neues Leben an, bei Leuten, die sehen konnten, wie ich innerlich war, und die nicht immer nur auf das verbrannte Äußere starrten. Ich baute mir eine Existenz auf, und als ich in den Kreisen, in denen sich meine Eltern bewegten, immer mehr Anerkennung fand, da suchten sie wieder den Kontakt. Letztes Jahr haben sie sogar angefangen, mich in Interviews zu erwähnen. Aber ich spreche nicht mit ihnen. Ich nehme ihre Anrufe nicht entgegen, ich antworte nicht auf ihre Briefe, und ich akzeptiere sie schon gar nicht als ›Freunde‹ oder wie das heißt, was die Leute heutzutage auf ihren Computern machen – auch wenn sie sich noch so bemühen.«
    Barnaby schaute sich noch einmal das Foto mit dem Model an – ja, es stimmte, sie war wunderschön, aber sie sah sehr unglücklich aus, als würde ihr etwas Wichtiges im Leben fehlen. Dann blätterte er zu der Seite mit dem Bild von Mr und Mrs Etheridge. Sie waren in ein Gespräch mit dem Generalsekretär der Vereinten Nationen vertieft, aber auch sie wirkten alles andere als glücklich.
    »Wie haben Sie in Kanada überlebt?«, erkundigte sich Barnaby, der sich plötzlich elend fühlte – sehr weit weg von zu Hause und komplett allein. »Ich meine – Sie haben doch keinen dort gekannt.«
    »Manchmal hat man einfach Glück im Leben«, antwortete Charles. Er schaute aus dem Fenster und lächelte beim Gedanken an die glücklichen Erinnerungen, die stärker waren als die unglücklichen. »Ich habe eine Anzeige für ein Zimmer in der Stadt gefunden, und dann habe ich fünf oder sechs Jahre bei einem wunderbaren spanischen Paar gewohnt, das in einem Anbau eine Tierarztpraxis führte. Die beiden hatten keine eigenen Kinder und behandelten mich wie einen Sohn. Es war ihnen egal, wie ich aussah, es störte sie nicht, dass ich anders war. Ja, wenn mich jemand auf der Straße anglotzte, dann wurden sie wütend und verteidigten mich. Sie waren gute Menschen. Aber – hör zu, Barnaby, wir sollten jetzt lieber ein bisschen schlafen. Es ist

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