Die unglaublichen Abenteuer des Barnaby Brocket (German Edition)
nicht so gut sind, wie alle Leute behaupten. Er ist der absolute Hit, und das alles nur deinetwegen.«
»Ich freue mich, dass Joshua doch ein Künstler geworden ist«, sagte Barnaby. »Und dass er sich mit seiner Familie versöhnt hat.«
»Er war schon immer ein Künstler«, erwiderte Charles. »Und jetzt wird er bald ein sehr reicher Künstler sein, und meiner Erfahrung nach gehen diese beiden Dinge nicht unbedingt immer Hand in Hand.«
Sie kamen zu Bahnsteig neun, wo ihr Zug bereits wartete, und Barnaby schaute hinüber zu dem freien Raum, der ihn von Bahnsteig zehn trennte, und kniff die Augen zusammen.
»Falscher Bahnhof«, sagte Charles, der sah, was der Junge machte.
»Ich wollte es nur überprüfen«, sagte Barnaby und grinste, als sie in den Zug stiegen. Mit einem Blick auf die Plätze stellte er erfreut fest, dass er den Flug zur Decke verhindern konnte, indem er sich mit dem Sicherheitsgurt anschnallte. Also konnte Charles seinen Rucksack in der Gepäckablage über ihnen verstauen.
»Das muss ja manchmal ganz schön lästig sein«, sagte Charles. »Diese ganze Sache mit dem Schweben, meine ich. Sicher kannst du vieles deswegen gar nicht machen.«
»Ja, das stimmt«, erwiderte Barnaby. In dem Moment pfiff der Zug und setzte sich langsam in Bewegung. »Aber ich weiß ja gar nicht, wie es anders ist. Und einmal bin ich mit meiner Schulklasse auf die Sydney Harbour Bridge geklettert, und wir waren seitlich an einer Stange befestigt, in einer langen Reihe, und zum ersten Mal in meinem Leben war ich genauso wie alle anderen.«
»Und wie hat sich das angefühlt?«
»Komisch.« Barnaby zog eine Grimasse. »Ich kam mir gar nicht vor wie ich selbst. Es hat mir nicht gefallen.«
Charles nickte lächelnd und musterte ihn eine Weile, dann schlug er mit einem leisen Lachen die Zeitung auf, um die Überschriften zu studieren. Barnaby schaute aus dem Fenster. Draußen sauste die Landschaft vorbei. Ach, wie gern er ein Buch dabei hätte. Ein bisschen D’Artagnan wäre gut gewesen für so eine Fahrt.
Nach ein paar Stunden erreichte der Zug Albany, wo einige Passagiere ausstiegen und viele neue einstiegen. Barnaby sah, wie ein gutaussehender junger Mann einen riesigen grünen Rucksack in die Gepäckablage wuchtete und sich in die Reihe vor ihnen setzte, wo er seine Nase sofort in ein Buch steckte. Barnaby schielte so lange darauf, bis er den Titel entziffern konnte: Eine Nation von Politikern. Über die Geschichte Irlands.
»Sie haben nicht zufällig ein paar Abenteuergeschichten in der Tasche?«, fragte Barnaby, hoffnungsvoll nach vorne gebeugt.
Verblüfft drehte der junge Mann sich um. »Nein, leider nicht«, sagte er. »Ich bin Historiker. Aber ich kann dir etwas geben über die Landreform in Irland Anfang des neunzehnten Jahrhunderts, falls dich das interessiert …«
Seufzend schüttelte Barnaby den Kopf. Er hatte Lust auf eine spannende Verfolgungsjagd. Oder auf etwas mit einem Waisenkind, das versucht, sich in der Welt zu behaupten. Oder ein paar Prügeleien.
Der Wagen war jetzt ziemlich voll, nur auf der anderen Seite des Ganges waren zwei Plätze frei, auf die sich eine Mutter und ihre kleine Tochter stürzen wollten. Die Frau grinste erleichtert, als sie begriff, dass sie während der nächsten dreihundert Meilen nicht im Gang stehen mussten. Aber als sie näher kamen, blieb das kleine Mädchen abrupt stehen. Sie hatte die Brandnarben in Charles’ Gesicht entdeckt und weigerte sich nun, auch nur einen Schritt weiterzugehen. Mit offenem Mund stand sie stocksteif da und sah aus, als wüsste sie nicht, ob sie laut schreien oder einfach nur in Ohnmacht fallen sollte.
»Komm schon, Betty-Ann«, schimpfte ihre Mutter. Doch dann sah auch sie die Narben. Sie warf Charles einen vorwurfsvollen Blick zu, als wäre es eine Rücksichtslosigkeit, in einem Zug zu sitzen, wenn man so aussah. »Betty-Ann, komm endlich! Vorwärts!«
Doch das kleine Mädchen war immer noch nicht bereit, sich hinzusetzen.
»Tu gefälligst, was ich dir sage. Bitte!«, zischte die Mutter. Sie schubste ihre Tochter auf den Fensterplatz und setzte sich neben sie, obwohl sie so nur durch einen schmalen Gang von Charles getrennt war.
Wie UNHÖFLICH!
Barnaby verfolgte die Szene mit großem Interesse, dann schaute er seinen Begleiter an. Charles schien ganz in einen Artikel vertieft, aber Barnaby wusste, dass er schon vor einer halben Stunde dieselbe Seite gelesen hatte.
Als Barnaby ihn am Abend vorher das erste Mal gesehen hatte, war er
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