Die unglaublichen Abenteuer des Barnaby Brocket (German Edition)
Beispiel?«
»Keine Ahnung, Henry! Es ist ein Rätsel. Und so wie’s aussieht, hätten wir die Postkarte gar nicht finden sollen. Sie lag ja zerknüllt im Mülleimer.«
»Riecht sie deshalb so nach Huhn?« Henry schnupperte noch einmal an der Karte und drehte sich dann angeekelt weg.
»Ich glaube schon. Ich habe ein paar leere Kartons weggeworfen, und da habe ich sie gesehen. Sie muss heute Morgen gekommen sein, und entweder Mum oder Dad hat sie weggeworfen.«
»Echt komisch, finde ich. Immerhin ist es eine Karte von unserem einzigen Bruder –«
»Für mich ist er nicht der einzige Bruder«, belehrte ihn Melanie.
»Ja, stimmt. Dann eben von meinem einzigen Bruder. Und deinem zweitliebsten Bruder.«
»Hmmm«, machte Melanie und dachte darüber nach.
»Aber warum wollen unsere Eltern nicht, dass wir die Karte sehen? Sie wissen doch, wie sehr wir ihn vermissen.«
Henry stand auf, ging ans Fenster und starrte hinunter in den Garten. Captain W. E. Johns schlich schnüffelnd draußen um die Wäscheleine herum, an die Barnaby früher manchmal gehängt worden war, um von der Sonne ein bisschen Farbe ins Gesicht zu bekommen. Der Hund war seit Wochen untröstlich, egal, was man machte – er vermisste ganz eindeutig sein Herrchen. Er erlaubte Alistair und Eleanor nicht mehr, mit ihm Gassi zu gehen, sondern blieb in seinem Korb, bis Henry und Melanie nach Hause kamen. Dann lief er sofort zur Tür und wollte unbedingt raus ins Freie.
»Die ganze Sache ist echt komisch«, murmelte Henry, drehte sich um und blickte auf das leere Etagenbett seines Bruders. »Wenn das, was sie uns gesagt haben, stimmt, warum wollen sie dann nicht, dass wir seine Postkarte sehen? Ihnen ist doch klar, dass wir uns große Sorgen um ihn machen.«
»Natürlich stimmt das, was sie uns gesagt haben«, entgegnete Melanie und trat vor den Spiegel, um ihre Frisur zu kontrollieren. »Sie haben doch Barnaby nicht selbst weggeschickt. Er hat seinen Rucksack runtergenommen, das weißt du doch. Er hat sich ja auch dauernd darüber beschwert. Ich glaube, das Entscheidende ist, dass er nach Hause kommen will.«
»Aber es ist ziemlich weit von Kanada nach Australien. Wir haben das im Geographieunterricht gelernt. Kanada ist praktisch auf der anderen Seite der Erde.«
»Heutzutage kommt man ohne Probleme überall hin«, sagte Melanie. »Die Flugzeuge fliegen dauernd hin und her. Wenn Barnaby sich anstrengt, kann er schon heute Abend wieder hier sein. Er schreibt ja, dass er einen Platz reserviert hat.«
»Und trotzdem habe ich das Gefühl, dass er nicht kommt.«
»Ich auch.«
Die beiden Geschwister setzten sich auf Barnabys Bett und gingen sämtliche Möglichkeiten durch, konnten aber keine befriedigende Antwort finden.
»Ich vermisse ihn«, sagte Melanie schließlich mit einem tiefen Seufzer.
»Ich auch«, stimmte Henry ihr zu. »Er war kein schlechter Bruder, wenn man es sich richtig überlegt.«
»Ich persönlich fand es ja immer gut, dass er schwebt. Ich habe nicht gedacht, dass er deswegen anders ist als die anderen, ich dachte, er ist deswegen was ganz Besonderes.«
»Alle Leute, die ich kenne, haben ihn deswegen bewundert.«
»Alle, außer Mum und Dad.«
»Ja, sie konnten es nicht leiden«, sagte Henry. »Meinst du, wenn er heimkommt, schwebt er immer noch?«
»Warum nicht.«
»Das ist Mum und Dad bestimmt nicht recht.«
»Aber vielleicht stört es sie nicht mehr so, weil er endlich wohlbehalten nach Hause gekommen ist. Er fehlt ihnen doch bestimmt genauso sehr wie uns.«
»Wenn sie ihn vermissen, dann haben sie das bisher gut verborgen.«
»Ach, sag so was nicht, Henry.«
»Aber es stimmt doch, oder? Man hat nicht den Eindruck, dass sie sich große Sorgen machen. Wenn du mich fragst – sie sind froh, dass Barnaby weg ist.«
Und mit diesen Worten legte er sich zurück aufs Bett. Da spürte er eine seltsame Erhöhung unter der Decke. Er griff danach und holte einen umfangreichen Gegenstand hervor, den jemand dort zur sicheren Aufbewahrung verstaut hatte.
David Copperfield.
»Oh«, machten Henry und Melanie und schauten einander verwundert an, weil sie keine Ahnung hatten, was das zu bedeuten hatte.
Kapitel 18
Freaks
Als Barnaby aufwachte, spürte er einen pulsierenden Schmerz, der von einem Ohr zum anderen ging. Er rührte sich nicht, in der Hoffnung, dass er dann wieder einschlafen würde, aber der Boden unter ihm schaukelte in einer schlingernden Rollbewegung auf und ab. Als er sich ausstreckte, stieß er mit Händen und
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