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Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman

Titel: Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: btb Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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dieser Notto.«
    Das war wirklich eine unappetitliche Vorstellung.
    Ich leerte mein Glas und entschied, es überhört zu haben.
    »Möchtest du Champagner? Ich kann eine Flasche holen.«
    »Antworte mir, Bernhard. Habt ihr etwas miteinander?«
    Glaubte sie etwa an das, was sie fragte? War das ihr Ernst? War sie eifersüchtig? Auf Notto Fipp? Ich war kurz davor, laut loszulachen. Auf eine etwas eklige Art und Weise befriedigte es mich auch. Aber ich riss mich zusammen. Wer konnte nicht eifersüchtig auf Notto Fipp sein? Niemand.
    »Hast du nicht gehört, was Direktor Lund in seiner Rede gesagt hat?«
    »Doch. Dass er dich wie seinen Sohn ansieht.«
    Ich schluckte und spuckte, immer abwechselnd, stand aber glücklicherweise mit dem Rücken zu ihr, und ich beharrte auf meiner Art, spuckte, trampelte und schluckte.
    »Dass er große Pläne mit mir hat«, sagte ich.
    »Und worin bestehen die?«
    »Meine Doktorarbeit, Sigrid. Ich werde Notto Fipp observieren und Aufzeichnungen über seine Splanchnologie machen.«
    Eine wütende Stimme aus dem Bett hinter mir:
    »Rede so, dass ich dich verstehe, verdammt noch mal.«
    Ich weiß nicht, woher ich die Kraft nahm. Wahrscheinlich bekam ich sie durch Notto Fipp. Gemeinsam waren wir eins und stärkten uns gegenseitig. Auf jeden Fall traute ich mich zu sagen:
    »Ich dachte, dir gefallen meine Worte, meine kleine Huri.«
    Immer noch genauso wütend, aber jetzt mit einer gewissen Sachlichkeit:
    »Nicht, wenn wir uns streiten! Dann bleibe gefälligst beim Norwegisch! Vergiss das in Zukunft nicht.«
    »Wir werden in Zukunft nicht mehr streiten«, sagte ich.
    »Unsere Zukunft hat bereits begonnen, Bernhard. Und wir streiten uns.«
    Ich hatte einfach keine Ahnung, dass Sigrid so raffiniert und akademisch sein konnte. Ich entschied mich, bei der Sache zu bleiben.
    »Ich werde ganz einfach diverse bahnbrechende Studien über die Einwirkung des menschlichen Gehens auf die Anatomie, die Psyche und die Verdauung machen sowie die Effektivität und Physiologie des Gehens über eine gewisse Zeitspanne messen, in Anbetracht von Ausdauer und Ernährung.«
    »Und das musst du in Kristiansand machen? Ausgerechnet jetzt?«
    Ich meinte, erkennen zu können, dass ihre Stimme ein wenig sanfter klang.
    »Notto Fipps große Liebe stammte aus Kristiansand.«
    »Gro? Meinst du Gro aus seinem Gedicht?«
    »Ja. Und er …«
    Sigrid unterbrach mich.
    »Kannst du nicht lieber ein Gedicht für mich schreiben als eine Doktorarbeit? Ach, bitte. Das könnte meine Morgengabe sein.«
    Es lief mir eiskalt den Rücken hinunter. Ich hatte keine Morgengabe. Hatte sie vergessen. Sie war meinen Gedanken entfallen, die bereits genug zu bedenken hatten. Ich klammerte mich an die Tatsachen, fuhr dort fort, wo ich aufgehört hatte.
    »Er will von dort nach Oslo gehen, während ich ihm im Wagen folge und meine Studien betreibe.«
    Sigrid lachte, ein anderes Lachen.
    »Dann ist Notto Fipp gar nicht dein Trauzeuge, sondern nur ein kleines Versuchskaninchen?«
    Ich hätte in Wut ausbrechen können. Ich hätte diese Ehe auf der Stelle annullieren können. Ich hätte sie verlassen können. Die Worte trafen mich. Die Worte verletzten mich, sie waren schmerzhaft und wohlverdient. Sigrid durchschaute mich und hielt dennoch weiter mit mir aus, solange es währte. Ich war ein Mann ohne Morgengabe. Ich hätte gern gesagt: Wir, Notto Fipp und ich, wir sind nützlich füreinander, und dieser Nutzen wird erhöht durch eine handfeste Freundschaft zwischen Männern, von der Frauen nichts verstehen.
    Stattdessen sagte ich:
    »Du und Tora, ihr könnt doch in der Zwischenzeit Tennis spielen.«
    »Oh je. Es ist zu kalt. Ich friere. Komm, und leg dich wieder hin, du Quatschkopf.«
    »Quatschkopf? Bin ich nicht mehr dein Stutenprinz?«
    »Dann eben Stutenprinz, du Quatschkopf. Komm jedenfalls her und leg dich wieder hin.«
    Ich schloss das Fenster, konnte immer noch Notto Fipps unruhigen Schatten in der Pförtnerwohnung sehen, und das beunruhigte mich. Unsere eckigen, spitzen Silhouetten hingen an einem Faden zusammen, der uns in einem ruckartigen Walzer einen Schritt vor und zwei zur Seite führte.
    Die Ruhe, jetzt eine andere Art von Ruhe, zog durchs Haus, nur ab und zu war ein leises Plumpsen zu hören, als gäben die Holzstämme für einen Moment nach. Dann stand das Haus wieder aufrecht und sicher da. Ein leichter Rausch hing in ihm, von Angst, Geburtsangst, die sich in alles mischt, was gewesen war, und sie wurde eine Weile von anderem

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