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Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman

Titel: Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: btb Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Briefe, Stempel und Aschenbecher, er nahm die Brille ab, behielt den Hut aber auf dem Kopf. Was waren das für Manieren? Sollten wir alle mit Hut in den Häusern herumlaufen? Wie würde das aussehen? Ich bekam große Lust, ihm den seinen vom Kopf zu schnipsen und ein wenig auf der Kopfhaut herumzuwühlen.
    »Deine letzten Reisebriefe haben keine große Begeisterung hervorgerufen.«
    »Aber dieses Mal wird es anders«, sagte ich.
    Der Redakteur drehte sich langsam um, und es schien, als würde sein Hut still stehen, während er rotierte. Was für ein verfluchter Hut!
    »Wer sind Sie?«
    Ich hob den Arm, oder besser gesagt, der Arm verließ mich, und ich musste ihn in einem Händedruck wieder an Ort und Stelle zwingen, um Unheil zu vermeiden. Wir begrüßten uns.
    »Bernhard Hval, ja. Sie wurden ja in einem Reisebrief schon erwähnt.«
    »Es war eine große Ehre für mich, meinen Namen in Ihrer Zeitung abgedruckt zu sehen. Eine große Ehre.«
    »Und warum wird es dieses Mal anders, wenn ich fragen darf?«
    »Weil Notto Fipp es vollenden wird. Er wird von hier nach Oslo und wieder zurück gehen. Soweit ich weiß, hat das noch niemand vor ihm gemacht.«
    Der Redakteur kam um den Tisch herum. Langsam wurde er gesprächiger.
    »Und Sie sind fast wie eine Art Zeuge dabei, um zu bestätigen, dass alles korrekt vor sich geht?«
    »Besser hätte ich es nicht ausdrücken können, Herr Willumsen.«
    Dann wandte er sich wieder an Notto Fipp und stellte eine Frage, die mir anschließend zu denken gab:
    »Und gegen wen trittst du an?«
    Notto war verwirrt. Gegen wen trat er an? Der Gedanke war ihm noch nicht gekommen.
    Ich ergriff das Wort:
    »Notto Fipp ist ein leuchtendes Beispiel«, sagte ich.
    »Wofür?«
    Ich ließ das Latein sein, einzig und allein Notto zuliebe, und entschied mich lieber dafür, die Sportkommission von 1917 zu zitieren, was mir übrigens als ganz natürlich erschien:
    »Dafür, dass die physische Erziehung und Entwicklung Hand in Hand mit der geistigen gehen muss, um tüchtige, aufgeweckte Bürger dieser Gesellschaft zu schaffen. Ich möchte außerdem noch das Motto des Arbeitersports hinzufügen: Kenne dein Land. «
    Willumsen musste lächeln.
    »Wir wollen doch nicht allzu sehr ausschweifen, lieber Hval. Das hier ist Unterhaltung. Das sind Brot und Spiele für unsere Leser in finsteren Zeiten. Können wir uns darauf einigen?«
    Ich sah Notto Fipp an, der nur mit den Schultern zuckte, das Gespräch ging ihn nicht länger etwas an.
    »Es zählt nicht, wie man die Prüfungen nennt, solange die Prüfungen Format haben«, sagte ich. Willumsen nahm seine Brille ab, ging um den Schreibtisch herum und notierte etwas auf einem Zettel, den er mir anschließend gab.
    »Schicken Sie uns Berichte von unterwegs, dann werde ich sehen, was ich tun kann. Nicht mehr als hundert Worte.«
    »Das ist äußerst großzügig von Ihnen. Vollidiot!«
    Endlich nahm der Redakteur seinen Hut ab. Das wurde aber auch Zeit!
    »Wie bitte?«
    »Äußerst großzügig«, wiederholte ich.
    Wir verließen den Fædrelandsvennen und setzten uns ins Auto, wo Notto eine halbe Flasche Milch trank, die Gefahr lief, sauer zu werden, wenn wir nicht bald frische Eiswürfel fänden. Ich fand sie unten bei einem Fischhändler an der Brücke und musste zwei Kronen für einen Eimer bezahlen, und ich war kurz davor, einen Skandal zu machen, ist das Wasser nur gratis, wenn es fließt, und umso kostbarer, wenn es gefroren ist? Doch ich ließ es dabei bewenden. Zeit ist auch Geld. Ich eilte lieber zurück zum Wagen und rieb die Mokassins mit Fett ein. Und pünktlich um zwölf Uhr, am 13. September 1929, stand Notto Fipp auf dem Marktplatz von Kristiansand bereit für seine Tour. Er erweckte keinerlei Aufmerksamkeit. Niemand beachtete ihn. That’s all right! Dann fing er an zu gehen, mit aufgespanntem Regenschirm, den Strohhut schräg auf dem Kopf und den Beutel über der Schulter. Es war ein feierlicher Moment, obwohl wir ihn allein erlebten. Vielleicht erschien der Augenblick gerade deshalb so feierlich: Das war keine Unterhaltung. Das war ein persönliches Anliegen, erhöht zur reinsten Kunst, wie ich mir zu sagen gestatte. Und nur unter uns. Ich ließ Notto Fipp einen Vorsprung von ungefähr hundert Metern, bevor ich ihm folgte. Weder er noch ich konnten wissen, dass das der Beginn einer märchenhaften, wenn auch leider nur kurzen Karriere war. Meine bangen Ahnungen hinsichtlich des Redakteurs trafen übrigens nicht ein. Die Tour, sowohl hin als auch

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