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Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman

Titel: Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: btb Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Herrensalon.
    Wenn wir in der Zeit blieben, konnte Notto Fipp seine Tour vom Marktplatz in Kristiansand nach Oslo pünktlich um zwölf Uhr beginnen. Wir waren in der Zeit. Keiner von uns beiden war aufs Reden erpicht. Vielmehr waren wir vom Ernst der Stunde erfüllt, die nicht nur die Augenblicke beinhaltete, in denen wir uns gerade befanden, bei 32 Stundenkilometer Geschwindigkeit, sondern auch den Moment, den wir verlassen hatten, und den, dem wir entgegenfuhren. Bei Holmestrand fiel mir jedoch etwas ein, was ich vergessen hatte zu erwähnen.
    »Ich möchte dir für deine Rede danken. Und ich kann dir gar nicht genug dafür danken. Ich hätte mir keinen besseren Mann als dich aussuchen können.«
    Notto Fipp wurde verlegen. So war sein gestählter Charakter zusammengesetzt. Er hatte einen schwachen Punkt, der ebenso gut als Stärke bezeichnet werden konnte. Lob vertrug er nur schlecht und Schmeicheleien noch weniger. Und wer ist imstande, Schmeicheleien und Lob voneinander zu unterscheiden? Wir hören das, was wir hören wollen. Notto Fipp dagegen hörte genau das, was gesagt wurde, nicht mehr und nicht weniger. In dem Moment fiel mir Sigrids Spruch ein, der mich so heftig getroffen hatte, mitten ins Schwarze, und immer noch beschäftigte, denn sind nicht Verurteilung und Anklage ebenso schwer zu unterscheiden: dass ich Notto Fipp ausnutzte.
    Das ist nicht wahr. Ich schwöre, das ist nicht wahr!
    »Ich habe nur das wenige verwendet, was mir zur Hand war«, sagte er.
    »Und das Herz, Notto. Vergiss das nicht!«
    »Ja, vielleicht auch noch etwas davon. Von meinem Herzen.«
    Ich fand nicht sofort die richtigen Worte nach dieser traurigen, fast bitteren Äußerung, so gern ich auch etwas gesagt hätte. Es sah Notto nicht ähnlich, solche Worte zu wählen. War er wankelmütig geworden? War sie zu viel für ihn gewesen, die Hochzeit, bei der er sogar seine einzige Poesie für mich geopfert hatte und auf diese Art und Weise gezwungen war, dem Moment des Verschmähtwerdens noch einmal ins Auge zu sehen? Bald blendete mich die Sonne, tiefstehend und grell, sie stieg nicht höher und zerschnitt die Schatten in lange, spitze Winkel. Ich sah das als Zeichen an. Die Umgebung redete in strengem Ton mit uns.
    »Per aspera ad astra«, sagte ich.
    »Was bedeutet das?«
    »Durch den Kampf zum Sieg.«
    Es war nicht mehr weit bis Kristiansand. Die Uhr zeigte elf. Plötzlich sagte Notto:
    »Ich möchte das zwischen dir und deiner Frau nicht kaputt machen.«
    »Kaputt machen? Wie meinst du das, Notto?«
    »Solltest du jetzt nicht lieber bei ihr sein? Als hier bei mir?«
    Ich hielt den Wagen an, holte den Benzinkanister aus dem Kofferraum und füllte den Tank auf. Notto Fipp stieg auch aus.
    »Du machst gar nichts für niemanden kaputt«, sagte ich, »ganz im Gegenteil.«
    Er schaute die Straße entlang.
    »Ich würde gern das letzte Stück gehen, damit ich nicht so steif bin.«
    »Aber nur so schnell, dass wir uns noch dabei unterhalten können«, sagte ich.
    So machten wir es. Notto Fipp ging, während ich im selben Tempo mit heruntergelassenem Verdeck fuhr. Anfangs wirkte er steif und träge. Er bekam die Knie nicht gelöst, sie waren nicht gestreckt genug, und damit wurde jeder Schritt zu einem anstrengenden Gewichtheben im Verhältnis zu der Entfernung, die er zurücklegte. Ich war kurz davor, mir ernsthaft Sorgen zu machen. Doch bald, wohl so nach einem halben Kilometer, zeitlich nach fünf Minuten und zwanzig Sekunden, konnte ich sehen, dass er seinen alten Stil wiederfand, er wurde weicher, und jede Bewegung war eine Augenweide, voller Antrieb, Antrieb, welche Freude!
    »Hast du jemals ein Pferd erschlagen?«, fragte ich.
    »Warum hätte ich das tun sollen?«
    »Du hast doch erzählt, dass du Pferdeknecht warst.«
    »Ich habe niemals ein Pferd erschlagen. Niemals. Aber ich habe es einmal gesehen.«
    »Und wie ging das vor sich?«
    »Es war in einer Schlachterei, nicht im Zirkus. Sie haben zu der Zeit Pferde gegessen. So schlechte Zeiten waren das.«
    Er setzte sich in den Wagen, trank ein wenig Milch, atmete ein und aus, und um halb zwölf Uhr kamen wir in Kristiansand an. Als Erstes suchten wir den Redakteur Willumsen von der Zeitung Fædrelandsvennen auf. Er trug auch drinnen einen Hut und empfing uns in seinem Büro.
    »Ich werde wieder ein bisschen gehen und könnte mir vorstellen, wieder einige Episteln betreffs der Tour zu schreiben«, sagte Notto Fipp.
    Redakteur Willumsen stand hinter einem Schreibtisch voller Zettel,

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