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Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman

Titel: Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: btb Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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wenigste. Zum Ersten: Ich musste kein Tennis spielen. Gott sei Dank. Das Hotel hatte nämlich ein hübsches Gelände in dem größten Palmengarten angelegt, das sofort Sigrids Interesse weckte, und zwar Hallengolf. Wenn ich nicht schon vorher der Meinung gewesen wäre, dass Golf ein lächerlicher Sport ist, wenn man es denn überhaupt als solchen bezeichnen kann, dass man einen Ball in ein Loch im Gras schubst, wurde meine Haltung zu diesem stupiden, sinnlosen Spiel nicht besser dadurch, und das erst recht nicht, weil es vollkommen ernst gemeint war. Da dieses Vergnügen inhäusig stattfand, war alles entsprechend kleiner gehalten, abgesehen von den Drinks und den Teilnehmern, die vierzehn verschiedene Posten durchlaufen mussten, bei denen der Ball entweder einen engen Tunnel oder eine schlanke Rinne durchlief, um das Loch zu treffen, über einen kleinen Sandkasten, unter einer Hürde hindurch, an einem Kreuz vorbei und zwischen Stangen entlang. Jede Mannschaft hatte ihren eigenen Lakai, der Anzahl der Schläge und Punkte auf einem speziellen Block notierte, und einen Kellner, der dafür sorgte, dass die Flüssigkeit nachgefüllt wurde, wenn es einem zu heiß wurde. Etwas Lächerlicheres habe ich selten erlebt: erwachsene Menschen, Frauen wie Männer, in Smoking und langen Kleidern, hochhackigen Schuhen, mit großen Hüten, die in vollem Ernst einen Ball durch ein Tor schoben, um ein dafür vorbereitetes Loch zu treffen. Sie sahen aus wie einfältige, verwachsene Kinder. Sigrids Interesse an diesem Spiel war leider sofort erwacht, und bereits am nächsten Tag, noch vor dem Mittagessen, wollte sie es ausprobieren. Ich wehrte mich, solange es ging. Wir, die Kantigen, müssen unseren Zwang, unseren Hunger mit größter Sorgfalt aussuchen. Wir dürfen kein Risiko eingehen. Ich hatte mir bereits eine neue Übung aufgebürdet, die ich Hand ans Kinn taufte. Und oft ist es so, dass der Hunger, der Zwang, uns aussucht. Deshalb müssen wir gegen jede überflüssige Versuchung gewappnet sein. Und diese Versuchung, wenn man sie überhaupt so nennen kann, war höchst überflüssig. Sollte sie mich aussuchen, wäre das eine tiefe Beleidigung gewesen. Warum um alles in der Welt sollte man mit einem Schläger in der Hand drinnen stehen, wenn wir doch in der reinsten Luft und dem sanftesten Wind, den ein Herbst hervorbringen konnte, am Mittelmeer spazieren gehen konnten?
    »Können wir vor dem Mittagessen nicht lieber ein wenig spazieren gehen?«, schlug ich vor.
    »Sei nicht so langweilig«, sagte Sigrid.
    Na gut. Sie fand also, ich wäre langweilig. Ich dachte, dass ich auf diese Art zumindest um das Tennisspielen herumkam. Von zwei Übeln war das Hallengolf vielleicht das kleinste. Und mehr als zwei Disziplinen konnte sie nicht von mir verlangen. Sonst würden wir noch beim Zehnkampf enden, und ich konnte mich von meinem bürgerlichen Leben verabschieden.
    »Der Beste bei drei Durchgängen«, sagte ich.
    Es wurden der Reihe nach Schläger, Bälle und Startnummern ausgeteilt, und anschließend folgte uns ein junger, eifriger Kellner auf dem Fuße, in weißer Jacke und schwarzer Hose, er war noch nicht weiter auf der Rangleiter des Hotels geklettert, als dass er dieser kindischen Bourgeoisie zu Diensten stehen musste, und uns unterwegs Pernod und Martini servierte, während ein Lakai die Schläge und Punkte mit größter Gewissenhaftigkeit notierte. Die erste Runde gewann ich überlegen, 28 Schläge gegen 39. Und noch einmal: Wieder gewann ich, mit noch größerem Abstand, 27 zu 42. Ich war selbst verblüfft. Ich hatte keine Ahnung, woher ich meine Ruhe und Zielsicherheit nahm. Der Schläger und ich, wir waren miteinander verwachsen. Der Ball schlich sich vorbei und umrundete jedes Hindernis, und ich heimste Applaus von den anderen Mannschaften ein, die eine Pause machten, um zuzuschauen und vielleicht etwas zu lernen, meine meisterlichen, präzisen Schläge, ein exklusives Repertoire an Rückschrauben, Trudeln und Unterschrauben. Ich bekam Angst. Worauf hatte ich mich hier eingelassen? Glücklicherweise wollte Sigrid keine letzte Runde mehr spielen, sie hatte ja sowieso schon verloren. Der Lunch in dem englischen Salon war nicht sehr gelungen, trotz smoked sandwiches und Austern. Sigrid war sauer und rührte das Essen kaum an, trank dafür aber umso mehr vom Rosé.
    »Wo hast du Golf spielen gelernt?«, fragte sie.
    »Das war ein reiner Zufallstreffer«, sagte ich.
    »Ein Zufallstreffer? So etwas gibt es nicht. Zumindest nicht,

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