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Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman

Titel: Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: btb Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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wenn es acht Zufallstreffer nacheinander sind.«
    »Vielleicht habe ich ganz einfach Talent. Probier doch die Austern. Sie sind herrlich.«
    Sigrid wurde spitz.
    »Talent? Na, was für eine göttliche Gabe. Talent für Hallengolf zu besitzen! Prost!«
    »Du warst doch diejenige, die spielen wollte. Nicht ich.«
    »Dann hattest du eigentlich gar keine Lust? Hättest du das nicht gleich sagen können?«
    »Ich dachte, du hättest Lust.«
    »Ja, aber ich habe keine Lust, wenn du keine hast.«
    Ich wurde äußerst sachlich, vielleicht in einem Versuch, die Nerven nach dem Triumph wieder zu beruhigen.
    »Man kann nicht immer gleichzeitig Lust haben. Dann gilt es, dem anderen auch Lust zu machen. Das ist es, worauf eine Ehe hinausläuft, Sigrid.«
    Sie lachte und trank, oder eher umgekehrt, zuerst trank sie und lachte dann umso lauter:
    »Wovon redest du da eigentlich? Ich habe keine Lust, dir Lust am Golfspielen zu machen.«
    »Ich sage doch nur, dass jeder Sport im Grunde genommen nur ein Spiel ist. Warum heißt es sonst die Olympischen Spiele, Siggen.«
    Sie leerte ihr Glas mindestens zum vierten Mal, beugte sich wieder über den Tisch, mit einem trotzigen Lächeln, doch zu meiner Verblüffung küsste sie mich.
    »Morgen werde ich dich schlagen, dass du nicht mehr über den Stiefelrand guckst, Berny.«
    Und ich verstand etwas, was ich eigentlich schon wusste, vielleicht, ohne es mir wirklich einzugestehen, nämlich dass Sigrid es nicht nur hasste zu verlieren, sie hasste es so von Herzen, dass sie lieber mit einem Verlierer verheiratet sein wollte, als selbst zu verlieren. Das lag in der Familie, wie ich annahm, wie es auch in meiner Familie lag, die keine Familie mehr war. Mit anderen Worten, es war ein wackliges Gerüst, auf dem wir unser Leben aufbauen wollten.
    Siggen und Berny.
    Da waren wir also, wir beide.
    Und nachdem am nächsten Tag das Frühstück überstanden und verdaut war, standen wir jeder mit unserem Schläger in diesem Kindergarten für Wohlhabende und Imbezile bereit. Und wir waren nicht allein. Das Gerücht über unsere offene Rechnung war offenbar bereits im Umlauf, und die Gäste drängelten sich entlang der engen Loipe. Und das hatte ich am allerwenigsten gewünscht: ein Gerücht. Ich wollte einer unter vielen sein. Ich wollte unsichtbar und höflich sein. Nicht entdeckt werden. Ich musste all meine Kraft darein legen, nicht so hart zu schlagen, dass der Ball zwischen den Flaschen in der Bar Americain landete, in dem angrenzenden Raum, oder einen der Zuschauer verletzte, auch wenn ich große Lust dazu hatte, sie umzuhauen, einen nach dem anderen. Ich umklammerte den Schläger, während ich die Füße auseinander stellte, um das Gleichgewicht zu halten. Nicht zu viel, Berny, nicht zu wenig, genau in der Mitte, Berny, der goldene Mittelweg. Siggen wurde ungeduldig. Ich schlug. Es war ein erbärmlicher Schlag, aber besser als nichts und viel besser als alles. Das Umgekehrte wäre schlimmer gewesen. Der Ball rollte vielleicht einen halben Meter über den Filz und blieb dann liegen. Das Publikum seufzte. Glaubten sie denn, es wäre meinerseits Taktik gewesen? Glaubten sie, es wäre ein geheimes Manöver, dessen Code nur professionelle Hallengolfer kannten? Wer hat Hallengolf erfunden? Norweger? Ich wiederhole: sollen sie doch, in gutem Glauben! Lasst sie alle in gutem Glauben! Dann war Siggen an der Reihe. Sie schlug gut. Sie musste ihren Schlag im Laufe der Nacht geplant haben, von ihm geträumt haben, ihn gesehen haben, ihn im Schlaf durchgegangen sein, jede einzelne Bewegung, die Winkel der Schulter und der Arme, die Richtung des Ellenbogens und nicht zuletzt den Griff um den Schläger, mit beiden Händen, was sie natürlich vom Tennis her gewohnt war, wenn man von einzelnen Rückhänden absieht, die das Spiel wieder an den richtigen Ort bringen sollen. Sie gewann die ersten acht Runden. Jetzt durfte ich nicht übertreiben. Ich drehte den Ball durch den abschüssigen Kreis, und er schoss in das Loch, in das er gehörte. Ich verteilte den Applaus. So fuhr ich fort. Ich holte Siggen wieder ein. Ich hinkte auf ihre Höhe. Das Publikum hielt die Luft an, oh, welche Idioten, aber plötzlich erinnerte ich mich an früher, als ich zusammen mit Alfred, meinem bedauerlicherweise verabschiedeten Chauffeur, Axel Paulsen rückwärts auf Schlittschuhen laufen gesehen hatte, im Frogner Stadion, und hielt nicht damals das Publikum auch die Luft an, und was war mit mir? Möglicherweise war ich derjenige, der die

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