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Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman

Titel: Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: btb Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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zwei weitere werde ich wohl noch los, bevor ich in Oslo ankomme.«
    Ich reichte ihm die Kanne mit Wasser. Er hob sie an den Mund und trank ausgiebig.
    Sigrid rief mir etwas aus dem Wagen zu, aber ich hörte nicht auf sie.
    »Man muss vorsichtig sein mit solchen Experimenten«, sagte ich.
    Notto Fipp wurde wieder abweisend und wollte weiter.
    »Wie schon gesagt, ich gehe am besten, wenn ich Hunger habe. Danke schön.«
    Er stellte die Kanne ab, und ich erlaubte mir, ihn noch ein wenig zurückzuhalten.
    »Aber ein bisschen Milch werden Sie nicht ablehnen?«
    Notto Fipps Gesicht erstrahlte in einem Kinderlächeln, sein mageres, spitzes Gesicht, das mit einer kleinen Haarlocke begann, weiterging mit einem verschleierten und dennoch festen Blick, einer dünnen, knochigen Nase, einem ebenso schmalen Mund, dem ein paar Zähne fehlten und in dem struppigen Bart endete, dem Spitzbart, dem Fippsbart selbst, wurde in meinen Augen schön wie das schönste Ölgemälde.
    »Haben Sie Milch?«
    Ich lachte.
    »Und ob ich Milch habe! Ich habe Milch, gelagerten Schweizer Käse und Fotze mit amerikanischem Pflaster!«
    Ich ließ Notto Fipp stehen und drehte mich beschämt um, doch auch er blieb stehen, nahm die Milch und trank eine der Flaschen im Laufe eines Wimpernzuckens leer. Was hatte ich gesagt?
    »Wenn wir uns unterhalten, würde ich Sie lieber duzen«, sagte Notto Fipp.
    Ich schaute ihn an, und vielleicht erkannte er mich erst jetzt wieder, erkannten wir einander wieder, wir waren vom selben Geschlecht, dem des kantigen Volkes.
    »Brauchen Sie, ich meine, brauchst du noch mehr?«, fragte ich leise.
    »Nein, danke. Ich kann nicht länger bleiben.«
    Dennoch reichte ich ihm den Käse und die zweite Milchflasche, er legte alles zusammen mit den Stiefeln in seinen Sack, und das Pflaster schob er in etwas, das aussah wie eine Tasche.
    »Du kannst nicht nur Käse essen«, sagte ich. »Du brauchst auch Eisen.«
    »Meine Verdauung ist nicht einfach zu handhaben, wenn ich zu viel in mich hineinstopfe. Außerdem will ich nicht wieder dick werden.«
    Das war eine noch alarmierendere Rede, und ich hätte ihn sofort in Behandlung nehmen sollen, aber ich wusste, dass ein widerspenstiger Patient noch kränker werden kann, wenn man sich aufdrängt. Und Notto Fipp stand trotz allem aufrecht vor mir, und er schleppte sich nicht dahin, er stolzierte.
    »Könntest du mir einen Gefallen tun?«, fragte ich.
    »Den bin ich dir schuldig. Wenn er mich nur nicht zu sehr aufhält. Und ich bitte dich, frage mich nicht, ob ich mitfahren will, denn ich sage so ungern Nein.«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Das brauchst du nicht. Und es dauert nur einen Augenblick.«
    Notto Fipp kam mit mir zum Auto, in dem Sigrid immer noch saß, sie war ungeduldig und schaute uns mit Verwunderung und einer gewissen Abscheu an.
    Ich stellte die beiden einander vor.
    »Das ist Sigrid Juell, meine teure Verlobte, und hier ist mein Freund Notto Fipp.«
    Notto Fipp verbeugte sich und streckte die Hand aus, die, um bei der Wahrheit zu bleiben, und das wollen wir, nicht gerade sauber und gepflegt war und in letzter Zeit sicher keiner Maniküre unterworfen gewesen war. Sigrid starrte lange auf diese fünf Finger und weigerte sich, sie überhaupt zu berühren.
    »Enchanté«, sagte sie.
    Dann setzte Notto Fipp seinen Weg nach Oslo fort, und wir fuhren in die andere Richtung, nach Drammen. Sigrid lachte laut auf.
    »Wo hast du denn diesen Patienten aufgelesen?«
    »Er ist kein Patient. Er ist ein Freund. Ich habe ihn auf dem Weg zu deinen Eltern getroffen.«
    »Ich wusste nicht, dass du mit solchen Leuten verkehrst.«
    »Solchen Leuten?«
    »Ja. Solchen lächerlichen Personen.«
    »Er ist keine lächerliche Person. Er hat eine außerordentliche Gangart.«
    »Sprichst du von einem Pferd?«
    Sigrid lachte noch mehr.
    »Ich meine, dass er ein außerordentlicher Geher ist.«
    »Du kannst ruhig sentimental und barmherzig sein, Bernhard, das ist edel von dir, aber bitte vergeude meine Zeit nicht mit Idioten.«
    Und während Sigrid diese Worte sagte, wusste ich, dass es nicht auf Dauer sein konnte, denn eines schönen Tages würde sie genau das Gleiche über mich sagen, dass ich eine lächerliche Person sei, ein Idiot, der ihre Zeit vergeude und der es nicht wert war, mit ihm die Zeit zu vergeuden. Ich hätte unsere Beziehung beenden sollen, damals an diesem Ort, zwischen Oslo und Drammen, ich hätte den Knoten zerschlagen sollen, der da Verlobung heißt, mit allem, was es mit sich führte,

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