Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman
eifersüchtig.«
Eifersüchtig. War Tora eifersüchtig auf Sigrid? Konnte jemand wegen meiner minderwertigen Existenz eifersüchtig sein? Das war gar kein so schlechtes Gefühl. Ich wuchs im eigenen Ansehen und drehte mich zu Sigrid um.
»Meine herrliche Sultanentraube«, flüsterte ich.
Sie war fast zufrieden.
»Ja?«
»Ich werde dir deine Schnurrhaare lecken!«
»Ach ja?«
Immer noch nicht ganz zufrieden.
»Ich werde dich hier und dort beschnuppern!«
Sigrid war zufrieden.
»Ja!«
Und so kam es.
In diese Höhen wuchs es.
Wir vergnügten uns, bis das Bett nachgab.
Oh, beati possidentis!
Dann fiel Sigrid wie ein Stein in den Schlaf. Doch ich konnte nicht schlafen, ganz gleich, wie erschöpft ich auch von unseren Übungen war. Ich knirschte mit den Zähnen und dachte, dass ich dem Fahrer niemals hätte kündigen dürfen. Denn jetzt musste ich Sigrid am nächsten Tag nach Hause nach Drammen fahren, und vielleicht musste ich dann sogar ihre Eltern wiedertreffen. Und ich war ein elender Lügner. Selbst wenn ich die Wahrheit sage, glauben viele, dass ich lüge, aufgrund meiner Ideen und Einfälle. Und wenn ich gar nichts sage, dann bin ich dennoch ein so elender Lügner, dass ich andere als Lügner entlarve. Und Sigrid musste lügen. Sie war also zwei Tage lang bei ihrer Freundin und Trauzeugin Tora gewesen, um Tennis zu spielen und sich in den Geschäften der Hauptstadt Kleider für die Hochzeitsreise anzusehen, während sie doch in Wahrheit den größten Teil der Zeit mit mir verbracht hatte, ja, lag sie jetzt etwa nicht neben mir und schlief, obwohl ich mit den Zähnen knirschte und Kies gegen die Decke spuckte? Das waren ziemlich viele Lügen auf einmal. Tora würde für Sigrid bürgen, und ich zweifelte nicht einen Moment daran, dass Tora eine hervorragende Lügnerin war, ein Alibi, von dem jeder Verbrecher nur träumen konnte. Außerdem waren ihre Eltern auf einer Tagung der Restaurateure in Bergen, weshalb sie nur wenig zu der Sache sagen konnten. Mit anderen Worten war das Ganze sorgfältig geplant und erforderte von den Lügnern strenge Disziplin und ein präzises Gedächtnis. Aber wer konnte sich für mich verbürgen? Niemand hatte sich jemals für mich verbürgt, abgesehen von Notto Fipp.
Ich lag die ganze Nacht wach und genoss diese gleichzeitig süße und qualvolle Wartezeit. Waren meine Berechnungen korrekt? Würde er morgen an derselben Stelle sein, auf dem Weg zurück nach Oslo, um zwölf Uhr? War er überhaupt noch am Leben, oder hatte es ihn bereits das Leben gekostet? Oh gütiger Gott! Ich faltete die Hände und betete ein schnelles Gebet, dafür betete ich es gleich dreizehneinhalb Mal. Da drehte sich Sigrid im Bett um und flüsterte etwas, wahrscheinlich im Schlaf:
»Halte diese verfluchte Uhr an!«
Sie meinte die Standuhr in meinem Arbeitszimmer.
Die Sekunden dröhnten bis zu uns.
Ich begann die Schläge zu zählen. Die Welt ist voller Dinge, die man zählen kann. Alles kann gezählt werden, Tennis, Herzen, Zeit. Dann stand ich auf, vor Sigrid, denn ich konnte nicht länger warten. Die Sonne tat es mir gleich, und war das etwa kein Zeichen? Auch Zeichen kann man zählen: die Vögel auf der Telegrafenleitung, die Blätter, die vom Kastanienbaum auf den Hof fallen, Tränen, nur Lachen und Weinen lässt sich nicht zählen, aber Tränen beinhalten beides. Ich zog mir leichte Kleidung über, goss reichlich Wasser in eine Kanne, wickelte Brotscheiben und ein großzügiges Stück Schweizer Käse in ein Papier, legte eine Rolle amerikanisches Pflaster in die Tasche, nur sicherheitshalber, und dann fiel mir etwas ein, was Notto gesagt hatte. Als Stockfleths, der Kolonialwarenladen im Frognerveien, endlich aufmachte, lief ich hinüber, kaufte zwei Flaschen Milch und bekam einen Eisblock dazu, mit dem ich sie so lange kühlen konnte, wie es ging. Als ich zurückkam, war Sigrid ebenfalls aufgestanden und bereit zur Abfahrt. Ich trug ihr Gepäck in den Wagen, sie selbst nahm ihren Tennisschläger, und schließlich fuhren wir los.
Es war bereits zehn nach elf.
Wir fuhren den Drammensveien entlang, an der Frognerbucht vorbei, die blau und glatt zwischen Bygdøy und der Strandpromenade lag, wie eine frisch gebügelte Tischdecke, gedeckt mit tiefen Tellern und hohen, weißen Servietten, bald gab es die letzte Mahlzeit des Sommers.
Oh, Jeunesse dorée!
»Fährst du?«, fragte Sigrid plötzlich.
Wir mussten beide lachen, die Frage war ziemlich idiotisch, ich meine, es war ja offensichtlich,
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