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Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman

Titel: Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: btb Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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dort zu holen.
    Una salus victis, nullam sperare salutem.
    Der Kommissar blieb übrigens noch eine Weile im Garten stehen und schaute auf den Schnürsenkel, roch an ihm, betastete ihn, als könnte dadurch ein großes Rätsel gelöst werden. Dann warf er ihn plötzlich weg, zum Springbrunnen hin. Er zögerte, aber nur einen Augenblick, bevor er ein Stück ging, sich bückte und den Schnürsenkel vom Gras aufhob.
    Er drehte sich zu mir um und zeigte ihn mir.
    »Guck mal, was ich gefunden habe«, sagte er. »Was glaubst du, wie der hier gelandet ist, Bernhard?«
    »Der muss sich vom Abzug gelöst haben.«
    Der Kommissar nickte und ging an mir vorbei.
    »Merkwürdig, dass ihn hier vorher niemand gefunden hat«, sagte er. »Merkwürdig. Aber so ist es manchmal.«
    »Kann ich ihn zurückhaben?«, fragte ich.
    Der Kommissar blieb stehen, drehte sich wieder um.
    »Warum?«
    »Als Erinnerung an meinen Vater«, sagte ich.
    Er zuckte mit den Schultern.
    »Warum nicht.«
    Ich sah ihn nie wieder.
    Die Beisetzung fand in aller Stille statt. Alles war verloren. Mutter hatte übrigens ein Konto, das nicht vom Konkurs angetastet werden konnte, ich glaube, nicht einmal Vater wusste davon, und einige wertvolle Schmuckstücke, die sie verkaufen oder verpfänden konnte. Sie kaufte eine Wohnung im Skovveien, die damals im Verhältnis zu dem Haus auf Besserud wie ein Vogelkäfig wirkte, aber heute, so viele Jahre später, so groß wie ein Vergnügungspark ist, hier sitze ich und schreibe diese Festschrift, meine letzte Handlung, die nicht von mir und meinen Possen handeln soll, sondern von Notto Fipp. Ansonsten verloren wir, wie schon gesagt, alles, bis auf Alfred, den Roadster und die Standuhr. Ich möchte aber noch hinzufügen, sozusagen zum Abschluss dieser Angelegenheit, dieser überbewerteten Kindheit, dass Mutter, nachdem Vater für immer auf dem Friedhof Vestre Gravlund in die Erde gelegt worden war, hinunter zum Schloss ging, um den St.-Olavs-Orden, der in dem roten Etui, versiegelt mit Recht und Wahrheit , lag, zurückzugeben. Ich ging mit ihr. War das christliche Gesetzgebung, etwas zurückzugeben, was man bekommen hatte? Mutter trug ein langes schwarzes Kleid und Witwenschleier, und sie hielt mich so fest bei der Hand, dass ich fürchtete, sie könnte mir die Finger brechen. Sie verlangte, zu König Haakon vorgelassen zu werden. Sie hatte etwas Dringendes zu erledigen. Aber das wurde uns nicht erlaubt, obwohl er zu Hause war. Die Flagge auf dem Dach war nämlich gehisst, aber nicht einmal auf halbmast. Wir mussten gut und gern eine Stunde auf dem Schlossplatz in dem kühlen Frühlingswind stehen. War es Vaters Tod oder sein unwürdiges Verhalten, das uns dazu zwang, den Orden zurückzugeben, oder hatte er sich einer höheren Medaille verdient gemacht, dem Stern im Hinterkopf? Weder der Leiter der Kanzlei noch der Adjutant wollte uns empfangen. Geschenkt ist geschenkt, wiederholen ist gestohlen! Ich rief es über den Schlossplatz. Oh Freude! Lang lebe der tote König! Mutter bremste meinen Wortschwall mit einem schnellen Handschuh von beiden Seiten meines Gesichts. Dann musste sie sich die Nase unter dem Schleier putzen und bat mich, solange das Etui zu halten, und ich nutzte die Gelegenheit, Vaters Schnürsenkel hineinzulegen, unter die Medaille. Ein Lakai kam heraus und nahm das rote, vergoldete Etui in Empfang.

DIE VORBEREITUNGEN SIND IM GANG
    Als Notto Fipp so langsam wieder zu Kräften kam und auf eigenen Beinen stehen konnte, siedelte ich aus Alvims Herberge in Frau Byes Hotel am Egertorget um. Dort gab es Waschtisch, Kleiderschrank und zweimal in der Woche sauberes Bettzeug im Zimmer. Schlechter sollte Notto Fipp nicht wohnen, während er Kräfte für seine nächste Tour sammelte, von Kristiansand nach Oslo, und dort wollte er, wie er es gewohnt war, umkehren und in seinen eigenen Fußspuren zurückgehen, aber vorher musste ich ihn ja zur Startlinie nach Sørlandet verfrachten. Konnte er nicht einfach von hier aus losgehen und seinen Marsch in Frau Byes herrlichen Betten beenden? Oh du Knödel, du lächerlicher Theodolit! Wer bist du, dass du glaubst, es besser zu wissen als Notto Fipp? Waren wir denn nicht von Natur aus gegen den Uhrzeigersinn geschaffen? War es denn nicht unsere Absicht, gegen die Sonne zu gehen? Übrigens hatte das Zimmer auch einen Balkon. Und wenn Notto Fipp sich weit genug hinauslehnte, dann konnte er bis zum Schloss hoch sehen. Davon war ich nämlich damals überzeugt, jung wie ich noch war, dass

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