Die universellen Lebensgesetze des friedvollen Kriegers
Sprüngen überqueren. Aber man kann sich Schritt für Schritt auf den Sprung vorbereiten . Und da hier weit und breit kein Abgrund zu sehen ist...» Die weise Frau hob einen Stein auf, reichte ihn mir und zeigte auf eine Eiche in ungefähr zwanzig Metern Entfernung. «Glaubst du, daß du diesen Baumstamm treffen kannst?»
«Was? Aus einer Entfernung von zwanzig Metern? Um ehrlich zu sein, wohl kaum. Selbst wenn ich zuerst nach links und dann nach rechts ziele — der Baum ist einfach zu weit weg.»
«Na gut», meinte sie, nahm mich bei der Hand und führte mich zu der Eiche hin, bis sie direkt vor uns in die Höhe ragte. «Und jetzt?»
«Natürlich kann ich den Baum jetzt treffen.»
«Na, dann los!»
Ich zielte und traf. Daraufhin führte sie mich dreißig Zentimeter weiter weg, drückte mir wieder einen Stein in die Hand und sagte: «Noch einmal.» So traten wir jedesmal dreißig Zentimeter weiter zurück, und ich traf bei jedem Wurf. Erst in einer Entfernung von etwa zwölf Metern verfehlte ich mein Ziel. «Geh wieder einen Schritt vorwärts und probiere es noch einmal», forderte sie mich auf. Da traf mein Stein den Baumstamm genau in der Mitte. Wieder wichen wir allmählich zurück, bis ich mein Ziel in einer Entfernung von fünfzehn Metern zweimal verfehlte, traten wieder einen Schritt vor, und ich traf. Nachdem ich ein paarmal danebengeworfen hatte, gelang es mir schließlich
tatsächlich, den Baumstamm aus einer Entfernung von zwanzig Metern zu treffen.
Dann stiegen wir wieder mühsam den steilen Bergpfad hinauf, und sie fuhr mit ihren Erklärungen fort: «Ist dir klar, daß dieses Gesetz in allen Lebensbereichen funktioniert? Wenn du deine Aufgabe in kleine, leicht zu bewältigende Schritte einteilst, brauchst du nicht mehr nur auf den einen Erfolg am Ende deiner Reise zu warten. Dann ist dein Weg von lauter kleinen Erfolgen gesäumt.»
Wir erreichten einen Bach, der durch die Regenfälle im Frühjahr zu einem breiten, tiefen Gewässer angeschwollen war. Die weise Frau durchquerte den Bach als erste; leichtfüßig trat sie auf die Steine, die hie und da aus dem Wasser ragten. Ich folgte ihr und hüpfte von einem Felsbrocken zum nächsten. Da sah ich zwei Steine ganz nah beieinander. Ich beschloß, mir den Weg abzukürzen, und sprang gleich zu dem weiter entfernten Stein hinüber. Aber mein Sprung war etwas zu kurz gewesen. Ich glitt auf einem Moospolster aus und landete im Wasser. Die weise Frau reichte mir die Hand und gab sich keine Mühe, ihr Grinsen zu verbergen. «Du siehst: Bei jedem Prozeß, selbst wenn du nur einen Bach durchquerst, ist es wichtig, keinen Schritt auszulassen; sonst holst du dir früher oder später nasse Füße.»
Jetzt verbreiterte sich der Weg, so daß wir nebeneinander hergehen konnten. Als meine Kleider fast trocken waren, erreichten wir einen Sumpf. Ich schaute nach rechts und nach links auf der Suche nach einem Weg, den Morast zu umgehen. Doch die kleine Schlucht, in der wir uns befanden, ragte zu beiden Seiten steil auf. Die weise Frau warf den Kopf zurück und lachte. «Von der Natur können wir so vieles lernen! Sie präsentiert uns ihre Lektionen immer zur richtigen Zeit.»
«Was soll das heißen?»
«Mach die Augen auf!» sagte sie. «Was ist diesem matschigen Weg und deinem Leben gemeinsam?»
«Tut mir leid, da kann ich wirklich keine Gemeinsamkeiten erkennen!»
«Dann will ich es dir erklären. Wird dir auf dem Weg zu deinen Zielen in der Regel ein roter Teppich ausgelegt?»
«Nein. Meistens ist es ein Sumpf.»
«Siehst du! Um Ziele zu erreichen, die sich wirklich lohnen, muß man sich bemühen, muß Risiken auf sich nehmen und Opfer bringen. Man muß durchhalten, auch wenn einen Ängste und Zweifel quälen. Man muß von seinen inneren Kraftreserven zehren, und schließlich wächst man daran. Jede neue Herausforderung ist eine Art Initiation: Du machst entmutigende Erfahrungen; du überwindest Unannehmlichkeiten, Langeweile und Frustrationen, und dabei findest du heraus, wer du bist.
Die Vision, die dich zu deiner Suche getrieben hat», fuhr sie fort, während wir bis zu den Knöcheln im Sumpf wateten, «führt dich durch den Morast des Lebens. Sie kann dich wie ein Magnet durch alle sumpfigen Abgründe ziehen. Der erste Schritt bei jedem Prozeß besteht also darin, eine Richtung zu finden, ein Ziel zu wählen, dessen Licht dir im Dunkeln leuchtet.»
«Gerade das fällt mir manchmal schwer — zu entscheiden, welches Ziel ich verfolgen soll.»
«Du wirst
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