Die Uno
und für den Generalsekretär selbst erlangte darunter die Kongo-Mission (
Organisation des Nations Unies au Congo
, ONUC) eine besondere Bedeutung. Belgien hatte seine Kolonie am 30. Juni 1960 in die Unabhängigkeit entlassen. Unmittelbar darauf brachen Unruhen aus, während derer der Präsident der Provinzregierung Katangas, Tschombé, die Sezession dieser rohstoffreichen Provinz betrieb und Belgien daraufhin militärisch intervenierte. In Reaktion darauf bat die Zentralregierung unter Patrice Lumumba die Vereinten Nationen um die Entsendung einer Friedenstruppe, die die innere Sicherheit wieder herstellen und Schutz vor einer Intervention durch andere Staaten gewähren sollte. Am 14. Juli 1960 forderte der Sicherheitsrat mit Resolution 143 Belgien zum Rückzug seiner Truppen auf.
Die Kongo-Krise illustriert die Relevanz der «Erfindung» der Friedensmissionen für die sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit der Vereinten Nationen. Zu einem Sicherheitsratsbeschluss konnte es aufgrund des zu erwartenden Vetos der NATO-PartnerBelgiens nicht kommen. Informell und unter Umgehung der in der Charta dafür eigentlich vorgesehenen Voraussetzungen ermöglichte das Instrument der Friedenstruppen aber dennoch eine militärische Intervention, bei der die UNO einer Regierung gegen einen internen und einen externen Gegner zu Hilfe kam und damit selbst eindeutig Partei ergriff. Zeitweilig gehörten der Friedenstruppe bis zu 20.000 Soldaten an.
Im Verlauf dieser Auseinandersetzungen forderte die Sowjetunion die Absetzung Hammarskjölds, der ihr zu eigenmächtig geworden war. Chruschtschow ging noch weiter: Das Amt des Generalsekretärs selbst sollte durch ein dreiköpfiges Kollegialgremium ersetzt werden, dem je ein Vertreter der beiden Blöcke sowie ein dritter aus den Reihen der blockfreien Staaten angehören sollte. Die Entscheidungen dieses Gremiums sollten einvernehmlich getroffen werden. Dieser Vorschlag ist ein schönes Beispiel dafür, wie die beiden Blockführungsmachte während des Kalten Krieges versuchten, sich die Unterstützung der blockfreien Staaten zu sichern.
Die Kongo-Krise führte zwar nicht zur Absetzung Hammarskjölds und auch nicht zur Auflösung des Amtes des Generalsekretärs, aber sie wurde ihm auf eine viel tragischere Weise zum Verhängnis: Im September 1961 kam er auf dem Weg zu einer Vermittlungsmission zwischen den ONUC-Truppen und den in Katanga kämpfenden Söldnerheeren unter bis heute ungeklärten Umständen bei einem Flugzeugabsturz ums Leben. «Die Tatsache, dass nahezu alle großen Geheimdienste der Welt zumindest verdächtigt wurden, Hammarskjöld ausschalten zu wollen, wird in der Retrospektive zu einem ganz eigenen Ausweis der Unabhängigkeit des Generalsekretärs», stellte Manuel Fröhlich in seinem Buch über Dag Hammarskjöld zutreffend fest. Dieses Urteil lässt zumindest den Schluss zu, dass sich die Vereinten Nationen während der Amtszeit und nicht zuletzt auch aufgrund der Persönlichkeit ihres zweiten Generalsekretärs erfolgreich gegen Versuche wehren konnten, sie zum Instrument eines Staates oder einer Staatengruppe zu machen.
Von einem weiteren Blauhelme-Einsatz auf Zypern im Jahr 1964 abgesehen, konnten die Vereinten Nationen unter dem ausBirma stammenden Nachfolger Hammarskjölds,
Sithu U Thant
(Amtszeit 1961–1971), in der Hochphase des Kalten Krieges kaum auf das regionale Kriegsgeschehen einwirken. Sie erlitten dabei einen Bedeutungsverlust, der allerdings auch teilweise dem angesichts der Angriffe auf seinen Vorgänger übervorsichtigen Generalsekretär selbst angelastet wurde. An der Beilegung der großen weltpolitischen Auseinandersetzungen dieses Jahrzehnts, der Kuba-Krise, dem Vietnam-Krieg und dem Sechs-Tage-Krieg, war die UNO nur am Rande oder gar nicht beteiligt. Stattdessen wurde sie zur Bühne rhetorischer Schaukämpfe zwischen den beiden Supermächten. Während der Kuba-Krise benutzten die USA den Sicherheitsrat als Forum, um die Sowjetunion vor aller Welt als Lügnerin bloßzustellen. Der Generalsekretär bemühte sich zwar als Vermittler, die Entscheidungen fielen jedoch nicht in New York, sondern in Moskau und Washington.
Geradezu fatal wirkte sich die ohne Konsultation des Sicherheitsrats von U Thant am 15. Mai 1967, also unmittelbar vor Beginn des Sechs-Tage-Krieges, getroffene Entscheidung aus, die seit der Suez-Krise auf der Sinai-Halbinsel stationierten UNEF-Blauhelme abzuziehen. Am 5. Juni griff Israel seine arabischen Nachbarn an und
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