Die Uno
für die Anliegen der Entwicklungsländer selbst als auch für die Vereinten Nationen ernüchternd aus. Er führte trotz einzelner Achtungserfolge – so konnte 1989 immerhin ein «Gemeinsamer Fonds zur Preisstabilisierung von Rohstoffen und zur Finanzierung anderer Maßnahmen» ins Leben gerufen werden – zu einer Entfremdung der Industrieländer von zahlreichen Foren innerhalb des UN-Systems. Sie kehrten diesen Schauplätzen antiwestlicher Kampagnen den Rücken, kritisierten die «Weltfremdheit» der Vereinten Nationen und verlagerten die substanziellen weltwirtschafts- und welthandelspolitischen Entscheidungen dorthin, wo sie nach wie vor selbst das Sagen hatten. Als Rückzugsgebiete dienten ihnen zum einen die Weltbank und der Internationale Währungsfonds. Dort herrschte nicht das Prinzip «EinLand – eine Stimme», sondern die Regel «Ein Dollar – eine Stimme». Zum anderen setzten die Industrieländer mit dem GATT (dem Vorläufer der WTO) auf eine internationale Institution am Rande des UN-Systems sowie auf neue, informelle Verhandlungsforen, namentlich die exklusiven G 7-Wirtschaftsgipfel. Der Druck, den die Industriestaaten damit auf die entwicklungsländerfreundlichen UNO-Organisationen ausübten, fand seinen Höhepunkt im Austritt der USA und Großbritanniens aus der UNESCO Ende 1984, womit der dort geführten Debatte über eine «Neue Weltinformationsordnung» ein abruptes Ende bereitet wurde. Auch das Zurückhalten von Pflichtbeiträgen wurde gezielt eingesetzt, um besonders missliebige Sonderorganisationen unter Druck zu setzen. So halbierten die USA ihre Beitragszahlungen an die ILO zunächst, um sie dann gänzlich einzustellen und die Organisation zwischen 1977 und 1980 sogar zeitweilig zu verlassen. Solche Rückzüge wurden zumeist mit dem Vorwurf der Misswirtschaft und der «Politisierung» begründet, womit vor allem die ritualisierten Verurteilungen Israels und der südafrikanischen Apartheidspolitik gemeint waren.
Die Verhandlungsmacht der Dritten Welt begann zu sinken, als einzelne Entwicklungsländer aus der Solidaritätsfront ausbrachen, um sich nationale Vorteile zu sichern. Die Industriestaaten unterstützten diese Auflösungstendenzen durch gezielte Angebote an für sie wichtige Staaten nach Kräften. Sie erkannten bald, dass die Gefahr weiterer Rohstoff-Kartellbildungen über die OPEC hinaus geringer war als ursprünglich befürchtet. Aber auch das Druckmittel der Ölpreiserhöhungen erwies sich am Ende gleich in mehrfacher Hinsicht als selbstschädigend für die Dritte Welt. Es löste in den Industrieländern eine Wachstumskrise aus, die sich in einem Rückgang der Nachfrage nach Importen aus der Dritten Welt niederschlug und gute Argumente für einen Rückzug aus der Entwicklungsfinanzierung lieferte. Ironischerweise war auch die Verschuldungskrise der achtziger Jahre eine Folgeerscheinung der Mehreinnahmen der OPEC-Länder, die als billiges Kapital die internationalen Devisenmärkte überschwemmt und viele Entwicklungsländer zur Aufnahme von Krediten bewegt hatten, die sie bei steigendenZinsen und sinkenden Rohstofferlösen nicht mehr bedienen konnten. Viele Entwicklungsländer wurden damit zu Bittstellern, die sich nun ausgerechnet an den Internationalen Währungsfonds und die Weltbank wenden mussten, um kurzfristig wirksame Hilfen zu erhalten. So gingen die achtziger Jahre nach übereinstimmender Auffassung für die Dritte Welt als eine «verlorene Dekade» in die Geschichte ein. Mit dem Ende des Ost-West-Konflikts und damit der Möglichkeit, die beiden Blöcke zu ihren Gunsten gegeneinander auszuspielen, verloren viele Entwicklungsländer dann auch noch ihre letzte Trumpfkarte.
Die Vereinten Nationen hatten sich sehr weitgehend für die weltwirtschaftspolitische Reformprogrammatik der Dritten Welt einspannen lassen und dafür mit einem beträchtlichen Bedeutungsverlust in den Augen der Industriestaaten bezahlt. Die Organisation nahm daraus die bittere Erkenntnis mit, dass sie in einem Dilemma gefangen war: Sie geriet umso eher ins Abseits, je mehr sie sich von der Aufgabe entfernte, im Einklang mit den weltpolitischen und weltwirtschaftlichen Kräfteverhältnissen zur Stabilisierung des Status quo beizutragen. Öffnete sie sich zu sehr den Wünschen der Reformkräfte, dann lief sie Gefahr, von den am Status quo orientierten Kräften, bei denen es sich zugleich um ihre Hauptbeitragszahler handelt, übergangen zu werden. Würde sie sich aber in den Dienst von deren Interessen
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