Die Uno
stellen, dann würde sie durch die Preisgabe ihrer Unabhängigkeit an Glaubwürdigkeit und damit ebenfalls an Bedeutung einbüßen.
4. Die Wiederentdeckung der Vereinten Nationen
Unter dem aus Peru stammenden Generalsekretär
Perez de Cuéllar
(Amtszeit 1981–1991) wurde das beschriebene Dilemma angesichts der aufziehenden Existenzkrise im Sinne einer «konservativen Wende» aufgelöst. Er hatte die Organisation auf einem Tiefpunkt ihrer Geschichte übernommen und versuchte sie nun «auf Kurs» zu bringen, indem er sie wieder vermehrt den Funktionserwartungen der «Großen» annäherte. Während seiner Amtszeit konzentrierte er sich auf Vermittlungstätigkeiten bei der Befriedung regionaler Krisenherde. Dazu zählten die Beendigungdes Bürgerkrieges in Kambodscha, die Unterstützung des Unabhängigkeitsprozesses in Namibia oder die Beendigung des Bürgerkriegs in El Salvador. Dabei blieben Misserfolge wie die gescheiterten Vermittlungsbemühungen im Falklandkrieg nicht aus. Sie konnten aber den Gesamteindruck einer Rückbesinnung auf den «rechten Weg» nicht beeinträchtigen.
Einen weiteren Misserfolg in der Amtszeit von de Cuéllar stellte auch der gescheiterte Versuch dar, den Irak nach dem Überfall auf Kuwait am 2. August 1990 mit Hilfe eines vier Tage später vom Sicherheitsrat beschlossenen Handelsembargos (Resolution 661) zum Verlassen des besetzten Landes zu bewegen. Allerdings ist dieser Konflikt dennoch von Bedeutung für die UNO gewesen, weil er zum einen die wiedererlangte Handlungsfähigkeit des Sicherheitsrats signalisierte und zum anderen den USA dokumentierte, dass es für sie auch unter dem Schirm der Vereinten Nationen wieder möglich war, mit einer verhältnismäßig großen Handlungsfreiheit eigene weltpolitische Ziele zu verfolgen. Bei ihrem militärischen Eingreifen zur Befreiung Kuwaits im Frühjahr 1991 auf der Grundlage der am 29. November 1990 gefassten Resolution 678 ließ der Sicherheitsrat der Golfkriegskoalition einen bemerkenswert großen Handlungsspielraum. Es gab zwar eine Unterrichtungspflicht, aber weder eine zeitliche Begrenzung noch Vorgaben hinsichtlich der Wahl der Mittel. Faktisch hatte der Generalsekretär keinen Einfluss auf den Kriegsverlauf.
Die UNO begann sich zu einem Zeitpunkt als ein nützliches Instrument des Krisenmanagements zu rehabilitieren, als ein solches Instrument allerdings auch dringend nötig wurde. Das mit dem Umbruch in der Sowjetunion 1986 eingeläutete Ende der Ost-West-Konfrontation hatte dazu geführt, dass sich zahlreiche regionale Spannungsherde verselbstständigten. Anders als erhofft öffnete das Ende des Kalten Krieges damit nicht das Tor in eine friedlichere Welt. Vielmehr wurde bald deutlich, dass die jahrzehntelange Blockkonfrontation auch eine wirksame Form der Konfliktunterdrückung gewesen war. Ohne den disziplinierenden Einfluss der jeweiligen Blockführungsmacht brachen viele dieser Konflikte nun wieder auf. Für die Weltöffentlichkeiterkennbar leistete die UNO mit zahlreichen Friedensmissionen in dieser kritischen Zeit des weltpolitischen Umbruchs einen wesentlichen Stabilisierungsbeitrag. Diese Leistung fand ihre Würdigung in der Verleihung des Friedensnobelpreises an die UNO-Blauhelme im Jahr 1988.
Die Amtszeit des aus Ägypten stammenden Generalsekretärs
Boutros Boutros-Ghali
(1992–1997) stand somit eigentlich unter ausgezeichneten Vorzeichen, die von diesem selbst als «zweite Chance» für die Vereinten Nationen beschrieben wurden: Die Lähmung durch den Kalten Krieg, während dessen im Sicherheitsrat insgesamt 279 Mal ein Veto eingelegt worden war, war vorüber, und es bestand die allgemeine Erwartung, die wiedergewonnene Handlungsfähigkeit zu einer umfassenden Stärkung der Rolle der UNO bei der Friedenssicherung zu nutzen. Gleich nach seinem Amtsantritt machte sich Boutros-Ghali daran, im Auftrag des Sicherheitsrats Empfehlungen dazu auszuarbeiten. Das war mehr als überfällig. Die Vereinten Nationen waren auf dem Grundpfeiler der Wahrung der territorialen Integrität der Staaten zur Sicherung des Weltfriedens errichtet worden. Andere als zwischenstaatliche Konflikte waren in diesem Konzept nicht vorgesehen. Mit dem Wiederaufflammen zahlreicher innerstaatlicher Konfliktherde und angesichts zerfallender Staaten führte kein Weg mehr an der Frage vorbei, inwieweit Instrumente, die ursprünglich für die Bearbeitung von Konflikten zwischen Staaten konzipiert worden waren, in «asymmetrischen Konflikten» überhaupt
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