Die Unschuld der Rose
leisen Klang an. „Grace, jemand plündert deine Firma.“
„Das weiß ich.“
„Und das kann derjenige nur aus einem Grund so unbehelligt tun: Er glaubt, dass du nichts merkst. Du kontrollierst die Bücher nicht, oder?“
Vor Scham und Demütigung stieg ihr die Röte ins Gesicht. Grace fühlte sich genau wie damals im Mathematikunterricht. Alle anderen Kinder hatten die Aufgabe verstanden, nur sie nicht. „Nein“, flüsterte sie. „Ich schaue mir die Zahlen nicht an.“
„Woher weißt du, wie es um deine Firma steht? Woher weißt du, in welchem finanziellen Rahmen sich Café Brazil bewegt, wenn Zahlen für dich keinen Sinn ergeben?“
„Ich arbeite mit Menschen zusammen, denen ich vertraue. Sie sagen mir, was ich wissen muss …“, sie brach ab, als ihr die entlarvende Naivität ihrer Aussage bewusst wurde, „… oder was sie mich wissen lassen wollen. Das ist wohl nicht ganz dasselbe.“
„Ist dir nie in den Sinn gekommen, dass jemand dieses Arrangement zu seinem Vorteil nutzen könnte?“
Stumm schüttelte sie den Kopf.
Mit nackter Verzweiflung in den Augen musterte er sie. „Weil Menschen so sind, Grace. Das ist die Wirklichkeit, und es ist ein brutaler, unfreundlicher Ort. In dieser Welt lügen Menschen und betrügen einander.“
„Nicht alle“, entgegnete sie ruhig. „Es gibt viele gute Menschen.“
„Hör auf, so großzügig zu sein.“ Er schlug mit der Faust auf den Tisch und stand auf. „Wegen dieser Einstellung konnten dich die Leute ausnutzen. Du musst endlich härter werden. Sonst wirst du nie Erfolg haben.“
Es fiel ihr schwer, die Worte auszusprechen. Irgendwie gelang es ihr schließlich. „Ich war nicht erfolgreich. Ich habe Geld verloren.“
„Nein, das hat jemand anderes getan.“ Er runzelte die Stirn. „Dein Instinkt hat dir gesagt, dass du längst Gewinne machen müsstest, oder?“
„Ich wusste, dass die Cafés gut liefen. Nur die Ausgaben schienen sehr hoch zu sein.“
„Und diese Kosten hast du nicht geprüft?“
„Nein.“
„Nun, ich schon“, murmelte er verdrießlich, fuhr mit den Fingern durch die Haare und ging zu dem großen Glasfenster hinüber. „Ich habe den ganzen Morgen über diesen Zahlen gebrütet. Willst du die Ergebnisse wissen?“
Was immer er herausgefunden hatte, es würde ihr nicht gefallen. Aber seit wann war das Leben einfach? War Grace je vor etwas zurückgeschreckt, nur weil es schwierig und hart schien? „Ja.“
Er wandte sich wieder zu ihr um, sein Blick ruhte auf ihr. „Dein Vater hat das gestohlene Geld mit dem Händler geteilt. Zusammen haben sie den Kaffeepreis in die Höhe getrieben und Carlos und Filomena gleichzeitig nur einen Bruchteil gezahlt.“
Ihr Vater.
Ein flaues Gefühl schlich sich in ihren Magen. Instinktiv schüttelte sie den Kopf. „Da muss ein Irrtum vorliegen.“
„Es war dein Vater“, beharrte er in barschem Tonfall. Anscheinend dachte Rafael, dass Mitgefühl die Glaubhaftigkeit seiner Worte beeinträchtigte. „Und das ist noch nicht alles.“
„Bitte, sprich weiter“, erwiderte sie, äußerlich gefasst. „Und lass nichts aus.“
„Du hast erwähnt, dass die Renovierung der Räumlichkeiten mehr gekostet hat, als ursprünglich veranschlagt. Ich habe den Grund dafür entdeckt. Dein Vater hat den völlig überzogenen Preisen eines Handwerkers zugestimmt. Wieder wurde die Differenz geteilt.“
Sie befeuchtete sich die Lippen. „Weiter.“
„Einmalige Zahlungen. Hat man je darüber mit dir gesprochen, Grace? Beraterhonorare?“
Sie nickte. „Mein Vater hat mir gesagt, dass er einen Berater für das Design der neuen Cafés verpflichtet hat. Hat auch er eine überhöhte Rechnung gestellt?“
„Um eine Viertelmillion Pfund. Wenn du all diese Zahlen addierst, hast du deinen Profit. Nur dass jemand das Geld aus deiner Firma gezogen hat. Sie waren clever genug, dir gerade genug zu lassen, um die Geschäfte weiterzuführen.“ Rafael griff nach einigen Papieren auf seinem Schreibtisch. Sie waren mit roten Kreisen und Strichen übersät. „Dein Vater hat dich betrogen, Grace. Er ist der Grund, warum Café Brazil keine Gewinne erzielt. Warum tut er das?“
„Oh.“ Sie lächelte, auch wenn es wehtat. „Ich vermute, eine Tochter wie mich zu haben, hat ihn dazu getrieben. Ich war als Kind nie in irgendetwas besonders gut, weißt du. Für meinen Vater muss ich eine bittere Enttäuschung gewesen sein.“
„Aber er hat mit dir zusammen deine Firma aufgebaut.“
„Ich hatte so viele Ideen. Ich
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