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Die unsicherste aller Tageszeiten

Die unsicherste aller Tageszeiten

Titel: Die unsicherste aller Tageszeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Pregel
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kurz miteinander rumgemacht und wären danach getrennte Wege gegangen. Du hast immer weitergemacht, du hast mir deine Telefonnummer gegeben und um meine gebeten, du hast mich gleich am nächsten Tag angerufen und zu dir eingeladen. Du hast mir wieder und wieder gesagt, wie toll du mich findest.«
    »Aber du bist ja auch ein toller Kerl. Und … und eines Tages wirst du auch einen Mann finden, der alle deine Vorzüge zu schätzen weiß und dich auf Händen tragen wird.«
    Er schnaubte verächtlich, es traf mich wie eine Ohrfeige.
    »Erzähl mir jetzt bloß nicht, was für ein toller Hecht ich bin, wenn du gerade dabei bist, mich abzuschießen!«
    »Ich will doch nur nett sein«, stammelte ich.
    »Ach, Scheiße! Du bist nicht nett. Du verarscht mich hier nach Strich und Faden!«
    »Aber ich …«
    »Liebst du mich oder nicht?«
    »So einfach ist das nicht.«
    »Doch. Also?»
    »Das kann ich so nicht sagen.«
    »Warum nicht?«
    »Ich … ich will dich nicht verletzen.«
    »Der Junge ist verdammt erwachsen für sein Alter. Wie viel Zeit zum Nachdenken hast du ihm eigentlich gegeben?«, kommentierte Klaus an dieser Stelle und trieb damit den Nagel nur umso tiefer in mein Fleisch. Sicher war Hannes’ Blick auf die Liebe ob seiner Jugend ein noch idealistisch verklärter, die Frage, um die es ging, hatte er dennoch auf den Punkt gebracht – und ich hatte versucht, mich mit billigen Floskeln aus der Affäre zu ziehen.
    Hannes war sich dessen bewusst. Als würde er mich durchschauen wie eine Glasscheibe, so sah er mich an. Er schwieg, eine ganze Weile sogar, und die Stille, die sein Schweigen erzeugte, stürzte über mir zusammen wie das Lügengebilde, das ich ihm aufzutischen versucht hatte. Ich fühlte mich schrecklich unwohl und unwohler mit jeder Sekunde, die nicht verstreichen wollte, weil die Zeit festzuhängen schien. Hätten wir uns in einem Café getroffen, wäre ich genau jetzt aufgesprungen und davongerannt. Wir saßen aber leider in meiner Wohnung, und Hannes erweckte nicht den Eindruck, so bald gehen zu wollen. Er weinte immer noch, ihm liefen die Tränen unablässig und noch ebenso unbemerkt über das Gesicht wie eh und je, und ansonsten schien er tief in Gedanken versunken zu sein. Was genau in seinem Kopf vorging, hätte ich niemals zu erraten gewusst, denn wenn ich dazu fähig gewesen wäre, hätte ich noch im selben Moment sogar meine eigene Wohnung fluchtartig verlassen und wäre nie mehr hierher zurückgekehrt.
    Klaus erzählte ich folgende, erfundene Version des Endes der Ereignisse: Hannes wäre zu guter Letzt doch noch zusammengebrochen, hätte getobt und geschrien und sogar mit von aller Kraft verlassenen Fäusten auf mich eingeschlagen, dann wäre er aus meiner Wohnung gestürmt und hätte sich seitdem nicht mehr gemeldet.
    In Wahrheit stand Hannes plötzlich ganz langsam auf, als würde er sich allein kraft seiner Gedanken bewegen und nicht mithilfe seiner Muskeln; sein Gesicht trug dabei einen abwesenden, nach innen gewandten Ausdruck zur Schau. Er stand vor mir, ragte in seiner vollen, bald zwei Meter erreichenden Höhe vor mir auf, und kein Zittern oder Schwanken verriet die Erschütterung, die ihn gerade getroffen hatte. Nicht einmal in seinem Blick, als er ihn endlich auf mich fokussierte, lag etwas von dem Entsetzen, das er empfinden musste. Ich glaubte, darin nur Trauer und Ernüchterung zu erkennen.
    »Und ich habe dir geglaubt«, sagte er schließlich. »Schlimmer noch: Ich habe dir vertraut.«
    »Ich … Du …«
    »Ich habe deinen Sprüchen geglaubt, mich davon einlullen lassen«, fuhr er fort, als begänne er aus einer Anklageschrift vorzulesen. »Okay, ich wollte ja auch von dir geliebt werden, ich fand das schön. Und weißt du, warum? Weil ich mich in dich verliebt habe, besonders, weil es schien, als wärst du anders als die anderen. Ich dachte wirklich, du meinst es ernst. Aber du hast mich nur verarscht, du hast mir was vorgemacht, um mich ins Bett zu kriegen. Die anderen beiden, mit denen ich bisher zusammen war, wussten es nicht besser, die haben sich an mir ausprobiert wie ich mich an ihnen. Aber du hast mich die ganze Zeit nur benutzt.«
    Er machte eine Pause, in der ich mich nicht einmal zu rühren wagte. Wie ein geschlagener Gladiator in der Arena, der bang auf den Fingerzeig des Imperators wartet, starrte ich Hannes von unten an und mochte ihm dabei doch kaum in die Augen schauen.
    Plötzlich seufzte er, etwas brach in ihm, und ich fuhr erschrocken zusammen.
    »Das

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