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Die unsichtbare Brücke: Roman (German Edition)

Die unsichtbare Brücke: Roman (German Edition)

Titel: Die unsichtbare Brücke: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Orringer
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glich. Andras stand auf, stopfte die Briefe in seine Tasche und ging zurück in Richtung Fluss. Es war jetzt dunkel, ein feuchter Frühlingsabend. Er lief ohne aufzupassen über die Straße, Autos hupten ihn an, er drängte sich auf dem Bürgersteig an Männern und Frauen vorbei, trottete durch Gruppen von Clochards auf den Brücken. Er wusste nicht, wie spät es war, es war ihm auch egal. Er war erschöpft. Er hatte nichts gegessen, aber keinen Hunger. Es war jetzt zu spät, um noch bei Forestier aufzutauchen, aber nach Hause wollte Andras auch nicht gehen; immerhin war es möglich, dass Klara dort sein würde, um mit ihm zu reden, und er ertrug den Gedanken nicht, sie zu sehen. Er wollte sie nicht wegen Novak zur Rede stellen; er schämte sich, die Briefe gelesen zu haben, Elisabet erlaubt zu haben, ihm so etwas anzutun. Er wandte sich ab und ging weiter die Rue des Écoles hinunter bis zur Place de la Sorbonne, wo er sich auf einen Brunnenrand setzte und einem einbeinigen Akkordeonspieler lauschte, der die bittersten Liebeslieder spielte, die Andras je gehört hatte. Als er es nicht länger ertrug, floh er in den Jardin du Luxembourg, wo er auf einer ulmenüberschatteten Bank in einen nervösen Schlaf fiel.
    Irgendwann erwachte er in einer feuchten blauen Dämmerung, der Nacken verspannt durch die schiefe Haltung im Schlaf. Ihm fiel wieder ein, dass am Vortag eine Katastrophe über ihn hereingebrochen war; er spürte, wie sie erneut auf sein Bewusstsein zuraste. Zoltán Novak, die Briefe. Andras rieb sich mit Daumen und Zeigefinger die Augen und blinzelte in den Morgen. Vor ihm im Gras labten sich zwei kleine Kaninchen am Klee. Das erste Tageslicht schien durch die zarten Endivienblätter ihrer Ohren; sie waren so nah, dass Andras ihr Rupfen und Mümmeln hören konnte. Ansonsten war es still im Park, und er war allein mit dem, was er über Klara wusste und nicht vergessen machen konnte.
    Er hatte recht: Sie war am Abend zuvor in seinem Zimmer gewesen. Sie hatte sogar in der ganzen Stadt nach ihm gesucht. Er verfolgte ihren Weg anhand zunehmend besorgter Notizen zurück, die er in umgekehrter Reihenfolge fand. Zuerst der Zettel, den sie an seinen Zeichentisch im Atelier geklemmt hatte: A, wo bist du nur? Ich habe dich überall gesucht. Komm zu mir, sobald du das hier liest. K ; dann der Zettel in der Obhut des guten Monsieur Forestier, der eher besorgt denn wütend war, als Andras zur Arbeit kam und aussah, als hätte er die vergangene Nacht auf einer Parkbank verbracht: A, als du nicht nach Hause kamst, habe ich dich hier gesucht. Jetzt schaue ich in der Schule nach. K ; und zuletzt, am Ende des scheinbar längsten Tages, den Andras je erlebt hatte, der Zettel, den sie zu Hause für ihn hinterlassen hatte, auf dem Tisch im Flur unten: A, ich suche dich jetzt bei Forestier. Deine K . Er stieg die fünf Treppen zu seiner Dachkammer empor und öffnete die Tür. Im Dunkeln polterte ein umfallender Stuhl, dann huschte Klaras leichter Schritt über den Boden, und sie war bei ihm. Er entzündete eine Lampe und schlüpfte aus seiner Jacke.
    »Andras«, sagte sie. »Mein Gott, was ist mit dir los? Wo bist du bloß gewesen?«
    »Ich will nicht reden«, sagte er. »Ich gehe ins Bett.« Er konnte sie nicht anschauen. Wenn er es tat, sah er Novaks Hände auf ihr, seinen Mund auf ihrem. Mein Mund schmeckt noch nach Dir . Übelkeit kam auf ihn zugerollt wie eine turmhohe Welle, er sackte neben dem Bett auf die Knie. Als Klara ihm eine Hand auf die Schulter legte, stieß er sie fort.
    »Was ist?«, fragte sie. »Bitte, sieh mich an!«
    Er konnte nicht. Er zog sein Hemd und seine Hose aus und kroch ins Bett, das Gesicht zur Wand. Er hörte sie hinter sich durchs Zimmer gehen.
    »So geht das nicht«, sagte sie. »Wir müssen miteinander reden.«
    »Geh weg«, sagte er.
    »Das ist doch verrückt. Du benimmst dich wie ein Kind.«
    »Lass mich in Ruhe, Klara.«
    »Erst wenn du mir sagst, was los ist.«
    Er setzte sich im Bett auf, seine Augen begannen zu brennen. Aber er würde nicht vor ihr weinen. Ohne ein Wort stand er auf, holte die Briefe aus seiner Tasche und warf sie auf den Tisch.
    »Was ist das?«, fragte sie.
    »Sag du es mir.«
    Sie nahm einen der Briefe in die Hand. »Wo hast du die her?«
    »Deine Tochter war so freundlich, sie mir zu geben. Es war ihre Art, mir dafür zu danken, dass ich dir von Paul erzählt habe.«
    »Was?«
    »Sie dachte, ich würde vielleicht wissen wollen, wen du sonst noch so fickst.«
    »Oh,

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