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Die unsichtbare Brücke: Roman (German Edition)

Die unsichtbare Brücke: Roman (German Edition)

Titel: Die unsichtbare Brücke: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Orringer
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ganzen Gegend gesucht, Madame.«
    »Und ich war die ganze Zeit unterwegs! Oh, Gott! Drei Uhr in der Früh! Sie sagte, sie wollte nur mit Marthe tanzen gehen.«
    Es folgte eine hektische Stunde, in der Klara verschiedene Telefongespräche führte und herausfand, dass Marthe Elisabet am Abend nicht gesehen hatte, dass die Krankenhäuser niemanden namens Elisabet Morgenstern aufgenommen hatten und dass bei der Polizei keine Meldung über ein Gewaltverbrechen an einem Mädchen eingegangen war, auf das Elisabets Beschreibung passte. Nachdem Klara den Hörer eingehängt hatte, lief sie im Salon auf und ab, den Kopf in den Händen. »Ich bringe sie um«, sagte sie und brach in Tränen aus. »Wo ist sie nur? Es ist fast vier Uhr!«
    Andras vermutete, dass Elisabet am ehesten bei ihrem blonden Amerikaner war und der Grund für ihr Ausbleiben aller Wahrscheinlichkeit nach dem für Klaras späte Rückkehr ähnlich war. Er hatte Elisabet geschworen, ihr Geheimnis zu bewahren; er zögerte, seinen Verdacht laut auszusprechen. Doch er konnte nicht mit ansehen, wie Klara sich quälte. Außerdem konnte sein Zögern riskant werden. Er stellte sich vor, dass Elisabet irgendwo in Gefahr war – nach einer von Józsefs Partys eine Alkoholvergiftung hatte oder in einem fernen Arrondissement nach einem missratenen Abend allein in einem Tanzlokal saß –, und wusste, dass er reden musste.
    »Deine Tochter hat einen Verehrer«, sagte er. »Ich habe die beiden einmal abends auf einer Feier gesehen. Wir können vielleicht herausbekommen, wo er wohnt, und dort nachsehen.«
    Klara kniff die Augen zusammen. »Was für ein Verehrer? Was für eine Feier?«
    »Sie bat mich, dir nichts zu sagen«, erklärte Andras. »Ich habe es ihr versprochen.«
    »Wann war das?«
    »Vor Monaten«, erwiderte Andras. »Im Januar.«
    »Im Januar!« Klara legte eine Hand aufs Sofa, als müsse sie sich festhalten. »Andras, das ist nicht dein Ernst!«
    »Es tut mir leid. Ich hätte es dir früher erzählen sollen. Aber ich wollte Elisabets Vertrauen nicht missbrauchen.«
    Der Blick in Klaras Augen war purer Zorn. »Wie heißt diese Person?«
    »Ich kenne nur seinen Vornamen. Aber dein Neffe kennt den Mann. Wir können zu József fahren – ich gehe hoch, und du wartest im Taxi.«
    Sie nahm ihren Sommermantel vom Sofa, und kurz darauf hasteten sie die Treppe hinunter. Doch als sie die Tür öffneten, stand Elisabet auf der Schwelle, in einer Hand ein Paar hochhackige Schuhe, in der anderen ein Kegel aus Zuckerwatte. Klara im Türrahmen schaute sie lange an, die Schuhe, die Zuckerwatte; es lag auf der Hand, dass Elisabet nicht von einem unschuldigen Abend mit Marthe zurückgekehrt war. Elisabet wiederum warf Andras einen langen Blick zu. Er konnte ihm nicht standhalten, und in dem Moment wusste das Mädchen, dass er geredet hatte; in Elisabets Gesicht stand eine Mischung aus Bestürzung und Schmach. Sie schob sich an ihm und ihrer Mutter vorbei und lief die Treppe hinauf. Kurz darauf hörten sie ihre Schlafzimmertür zuknallen.
    »Wir reden später«, sagte Klara und ließ Andras dort im Eingang stehen; er hatte den Zorn und die Verachtung beider Morgensterns auf sich gezogen.
    »Ich denke, du solltest wissen, was für eine Frau meine Mutter ist«, sagte Elisabet.
    Sie saß auf einer Bank in den Tuileries, und Andras stand vor ihr; zwei Tage waren vergangen, seit er Klara zum letzten Mal gesehen hatte, und kein Wort war von der Rue de Sévigné gekommen. Am Nachmittag hatte Elisabet ihn im Hof der École Spéciale abgefangen, was Rosen und Ben Yakov vermuten ließ, sie sei die geheimnisvolle Frau, mit der er sich immer traf – die Frau, die sie nie kennengelernt hatten, die er bei ihren Unterhaltungen im La Colombe Bleue nur auf höchst vage Weise erwähnte. Als sie aus dem Atelier kamen und Elisabet im Hof stehen sahen, den kalten Blick auf Andras gerichtet, die Arme vor dem Oberteil ihres blassgrünen Kleides verschränkt, stieß Rosen einen Pfiff aus, und Ben Yakov hob die Augenbraue.
    »Das ist eine Amazone«, flüsterte er. »Wie bezwingt man die im Bett?«
    Nur Polaner wusste, dass dies nicht die Frau war, die Andras liebte – Polaner, der dank Andras’ und Klaras Fürsorge und der unerschütterlichen Freundschaft von Rosen und Ben Yakov an die École Spéciale zurückgekehrt war und wieder am Unterricht teilnahm. Nur Polaner war in das Geheimnis von Andras’ Beziehung eingeweiht; obwohl er Elisabet nie kennengelernt hatte, wusste er ebenso viel über Klaras

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