Die unsichtbare Brücke: Roman (German Edition)
Problem. Was mit ihr geschah, als sie jung war.«
Andras wurde auf der Stelle eiskalt. »Was meinst du damit?«
»Nicht lange nachdem du zum Munkaszolgálat gingst, meldete sich eine Frau bei den Behörden und gab zu Protokoll, dass die Claire Morgenstern, die vor kurzem ins Land eingereist war, eben jene Klara Hász sei, die sich siebzehn Jahre zuvor der Justiz durch Flucht entzogen hatte.«
Der Schock klingelte in Andras’ Ohren. »Wer war das?«, fragte er benommen. »Was für eine Frau war das?«
»Eine gewisse Madame Novak, die kurz zuvor selbst aus Paris zurückgekehrt war.«
»Madame Novak«, wiederholte Andras. Sie erschien vor seinem inneren Auge, so wie sie an dem Abend bei Marcelle Gérard ausgesehen hatte, still triumphierend in ihrem Samtkleid und mit diesem Jasminparfüm – kurz davor, einen Abstand von zwölfhundert Kilometern zwischen ihren Mann und die Frau zu bringen, die er anbetete, die Frau, die elf Jahre seine Geliebte gewesen war.
»Du bist also im Bilde und weißt, warum sie das getan hat?«
»Ich weiß, was in Paris geschah«, sagte Andras. »Ich weiß, warum sie Grund hat, Klara zu hassen – oder zumindest warum sie Grund dazu hatte .«
»Es scheint ein tief sitzender Hass zu sein«, bemerkte György.
»Du willst mir damit sagen, dass die Behörden Bescheid wissen. Sie wissen, dass Klara hier ist, und wer sie ist. Und das bereits seit Monaten.«
»Leider ja. Es wurde eine dicke Akte über ihren Fall angelegt. Man weiß alles über ihre Flucht aus Budapest und was sie seitdem getan hat. Man weiß, dass sie mit dir verheiratet ist, man weiß alles über deine Familie – wo deine Eltern wohnen, wo dein Vater arbeitet, was deine Brüder machten, bevor sie zum Militär kamen, wo sie jetzt stationiert sind. Es ist leider unmöglich, für deinen Bruder eine Freistellung zum gängigen Preis zu bekommen. Unsere Familien sind offiziell miteinander verbunden, und die Verbindung ist denen bekannt, die in dieser Angelegenheit die Fäden ziehen. Doch selbst wenn wir den Bataillonskommandeur deines Bruders überzeugen könnten, einen Preis zu nennen – denn schon das allein ist alles andere als sicher, wenn man bedenkt, wie viele von diesen Männern schlimme Antisemiten sind –, könnte es dennoch unmöglich sein, das Geld aufzubringen. Verstehst du, ich musste eine finanzielle Regelung treffen, um Klaras Freiheit zu gewährleisten. Der oberste Richter, der mit ihrem Fall befasst ist, ist zufällig ein alter Bekannter von mir – und zufällig auch mit meiner finanziellen Situation vertraut, da ich nach meiner Absetzung als Bankdirektor Einspruch eingelegt hatte. Als die Wahrheit über Klara bekannt wurde, war er derjenige, der eine Art Lösung anbot – oder was man als Lösung bezeichnen könnte, solange keine andere Hoffnung besteht. Eine Art Handel, wie er es mir darlegte. Ich würde zukünftig monatlich einen gewissen Prozentsatz meines Vermögens zahlen, und das Justizministerium würde Klara in Ruhe lassen. Außerdem würde man dafür Sorge tragen, dass die Zentrale Landesbehörde zur Überwachung von Ausländern ihre offizielle Aufenthaltsgenehmigung jedes Jahr erneuert. Man möchte sie natürlich nicht ausweisen, da sie nun wieder im Lande ist und man das zum eigenen Vorteil nutzen kann.«
Andras sog Luft in die verengten Verästelungen seiner Lunge. » Das hast du also getan«, sagte er. »Da wandert das ganze Geld hin.«
»Leider ja.«
»Und sie weiß nichts davon?«
»Nein. Ich möchte nur, dass sie sich sicher fühlt. Ich halte es für das Beste, ihr nichts zu sagen, solange sich die Lage nicht merklich zum Besseren oder Schlechteren wendet. Wenn sie Bescheid wüsste, würde sie ganz bestimmt versuchen, mich davon abzuhalten. Ich weiß nicht, in welcher Form sie das versuchen würde oder welcher Art die Folgen sein könnten. Ich habe meine Frau natürlich über die Regelung unterrichtet – ich musste ihr erklären, warum es notwendig war, einen so großen Teil unseres Vermögens aufzulösen –, und sie ist ebenfalls der Ansicht, dass es momentan am besten sei, die Angelegenheit von Klara fernzuhalten. Meine Mutter ist anderer Meinung, aber bis jetzt ist es mir gelungen, sie von meiner Sicht der Dinge zu überzeugen.«
»Aber wie lange kann das gut gehen?«, fragte Andras. »Die werden dich ausbluten.«
»Ja, das scheint der Plan zu sein. Ich habe bereits eine zweite Hypothek auf dieses Haus aufnehmen müssen, und vor Kurzem musste ich meine Frau bitten, sich von einem
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