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Die unsichtbare Brücke: Roman (German Edition)

Die unsichtbare Brücke: Roman (German Edition)

Titel: Die unsichtbare Brücke: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Orringer
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Andras ging neben ihnen, den Arm um Klaras Taille. Er hatte jetzt nicht mehr das Gefühl, das er empfunden hatte, wenn er zuvor vom Munkaszolgálat heimgekehrt war: dass das normale Leben in Budapest unmöglich weitergehen konnte nach dem, was er erlebt hatte, dass seine geistigen und körperlichen Qualen auch den Rest der Welt verändert haben mussten. Wenn er früher fassungslos gewesen war, so verspürte er jetzt eine gewisse Taubheit. Sie machte ihm fast Angst, diese Stille. Sie war der unbestreitbare Beweis dafür, dass er älter geworden war.
    Beim Gehen erzählte Klara das Neuste von der Familie: dass György durch das Geld aus dem Verkauf von Józsefs Bildern im Krankenhaus seine Gesundheit wiedererlangt habe, dass Klaras Mutter, die im Winter eine Lungenentzündung gehabt hatte, nun wieder kräftig genug sei, um jeden Morgen zum Markt zu gehen und Gemüse und Brot für den Tag zu kaufen, dass Ilana nun Ungarisch beherrsche und sich als Genie im Haushalten mit ihren Essensrationen entpuppt hätte, dass Elza Hász, die bis zum vergangenen Dezember nicht mal ein Ei hatte kochen können, inzwischen gelernt hatte, Kartoffelpaprikás und Hühnersuppe zu machen. Es gab sogar Neuigkeiten von Elisabet: Sie hatte noch ein Kind bekommen, ein Mädchen. Sie lebte noch immer auf dem Grundstück der Familie in Connecticut, während Paul bei der Marine war, doch sie hatten vor, nach seiner Rückkehr in eine größere Wohnung in New York zu ziehen. Von der Möglichkeit, in die Staaten auszuwandern, war keine Rede mehr gewesen. Andere Möglichkeiten der Flucht hatten sich in Luft aufgelöst. Klein, erzählte Klara flüsternd, als sie an einer Straßenecke innehielten, sei wegen Beihilfe zur illegalen Auswanderung verhaftet worden. Seit vergangenem November sitze er im Gefängnis und warte auf seinen Prozess. Klara hatte einige Male seine Großeltern besucht, die aber keinerlei Bedürfnisse bekundet hatten. Sie blieben mit ihrer kleinen Ziegenherde im alten Bauernhaus auf der Frangepán köz; vielleicht waren sie in den Augen der Behörden zu alt für eine Strafverfolgung. Die Namen von Kleins Auftraggebern – ehemaligen, aktuellen und zukünftigen Emigranten – waren in einem Labyrinth von Codes verborgen, aber niemand wusste, wie lange es dauern mochte, bis die Polizei sich durch den Irrgarten gekämpft hätte.
    »Und deine Eltern?«, fragte Klara. »Geht es ihnen gut?«
    »Doch, ja«, erwiderte Andras. »Aber sie sind natürlich krank vor Sorge um Mátyás. Sie haben nichts von ihm gehört. Und sie haben sich natürlich nicht darüber gefreut, wie ich aussah. Ich habe ihnen nicht mal die Hälfte von dem erzählt, was passiert ist.«
    »Tibor kann es nicht abwarten, dich zu sehen«, sagte Klara. »Ilana musste ihm letztlich verbieten, mit zum Bahnhof zu kommen. Aber sein Arzt sagt, er müsse sich ausruhen.«
    »Wie geht es ihm? Wie sieht er aus?«
    Klara seufzte. »Dünn und ausgemergelt. Schweigsam. Manchmal scheint er schreckliche Dinge vor sich zu sehen. Seit er zurück ist, hat er Ádám keine Minute aus den Armen gegeben. Der Junge hat sich so an ihn gewöhnt, dass Ilana ihn kaum noch stillen kann.«
    »Und du?« Andras strich ihr über das Haar, die Wange. »Klárika.«
    Sie hob ihm das Gesicht entgegen und küsste ihn, mitten auf der Straße, das Kind im Arm.
    »Deine Briefe«, sagte sie. »Wenn ich die nicht gehabt hätte … ich weiß es nicht.«
    »Sie können nicht immer ein Trost gewesen sein.«
    Wieder traten ihr Tränen in die Augen. »Ich wollte glauben, ich hätte das mit Mendel falsch verstanden. Ich habe den Brief immer wieder gelesen und gehofft, ich würde mich irren. Aber es ist wahr, nicht?«
    »Ja, es stimmt.«
    »Bald wirst du mir alles erzählen«, sagte Klara und nahm seine Hand.
    Sie gingen nebeneinanderher, bis sie die Tür zu ihrem Mietshaus erreichten. Andras schaute hinauf zum Fenster ihres Schlafzimmers; Klara hatte einen Blumenkasten mit früh blühenden Krokussen davor angebracht.
    »Es gibt noch eine Neuigkeit«, sagte sie so ernst, dass er zuerst glaubte, es sei jemand gestorben. »Es wohnt noch jemand bei uns. Jemand, der eine lange Reise auf sich genommen hat, um herzukommen.«
    »Wer denn?«
    »Komm mit nach oben«, sagte sie. »Dann siehst du es.«
    Andras folgte ihr in den Hof, sein Herz schlug schneller. Er wusste nicht genau, ob er einen Überraschungsgast ertragen konnte. Er wollte sich auf den Brunnenrand in der Hofmitte setzen, dort hocken bleiben und in Ruhe wieder zu sich

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