Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die unsichtbare Handschrift

Die unsichtbare Handschrift

Titel: Die unsichtbare Handschrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Johannson
Vom Netzwerk:
Pult zu. Sie zwang sich, an etwas anderes zu denken, sich um die Urkunde zu kümmern. Der Bote konnte jeden Augenblick erscheinen. Sie war benommen wie damals, als Vitus im Streit von ihr gegangen war. Nein, dieses Mal war es noch viel schlimmer.
    »Gibt es irgendwo eine Decke, in die wir ihn wickeln können?«
    »Eine Decke? Nein. Wozu sollte man die in einer Schreibstube wohl brauchen?« Vitus konnte Fragen stellen!
    »Verstehst du denn nicht? Der Bote ist gleich hier. Wenn er uns mit der Leiche sieht, muss er glauben, wir hätten Reinhardt ins Jenseits befördert. Gott hab ihn selig.« Er war mit einem Schritt bei ihr und packte ihre Schultern. »Wir müssen jetzt schnell sein und klar denken, hörst du?«
    Er hatte recht. Sie warf einen raschen Blick auf Reinhardt. Das hätte sie nicht tun sollen. Jetzt erkannte sie, dass das, was sie für ein Halstuch gehalten hatte, Blut war. Sie musste würgen, Tränen stiegen ihr in die Augen. Nur jetzt nicht die Fassung verlieren. Sie zwang sich, Vitus ins Gesicht zu sehen.
    »So ist es gut«, flüsterte er. »Ist dein Pergament noch da?«
    »Hier liegt eines, ja.« Er ließ sie los, sie griff nach dem Schriftstück. Im gleichen Augenblick flog die Tür auf.

[home]
    Lübeck, 18 . April 1226  – Heilwig von der Lippe
    B ei Sonnenaufgang hatten sie sich auf den Weg gemacht. Es war ein windiger Tag, der Morgen noch sehr kühl. Sie hatten kaum miteinander gesprochen und sich beinahe lautlos durch die Straßen bewegt, bis sie in der Depenau angekommen waren.
    »Der Riegel ist mit einem Schloss gesichert«, hatte Magnus auf der Stelle bemerkt. »Es ist also noch niemand da. Gut so.« Damit hatte er sie hinter einen Holzverschlag geführt, den er zuvor als Beobachtungsposten auserkoren hatte. Es stank nach Urin. Vermutlich erledigten die Bewohner der Häuser hier ihre Notdurft oder leerten ihre Nachttöpfe aus. Heilwig versuchte nur ganz flach zu atmen. Sie legte zwei Finger auf die Tasselschnur. Diese Haltung, ihrem Stand entsprechend, half ihr, die verkommene Umgebung zu ignorieren. Und natürlich der Gedanke, endlich Rache für die Qual ihrer Amme und für das nehmen zu können, was ihr Gatte ihr über ungezählte Winter angetan hatte. Sie wartete ab, als wäre dies hier etwas, das sie manchen Tag machte. Durch einen Spalt im Holz konnte sie den Eingang des Skriptoriums und einen Teil der Gasse sehen. Magnus hatte den Platz geschickt gewählt.
    Es dauerte eine gute Weile, in der nichts geschah. Nur einmal lief ein Bäckerjunge mit einem Korb vorbei. Es duftete nach frischem Brot. Eine Wohltat zwischen dem üblen Geruch, der allzu schnell wieder in ihre Nase drang.
    Mit einem Schlag spannte sich Magnus’ Körper neben ihr an. »Da ist sie«, raunte er ihr zu.
    Heilwig beugte sich etwas vor, um durch den Spalt zu spähen. »Sie ist nicht allein«, wisperte sie.
    »Das wird der Kaufmann sein, dem ihr Herz gehört. Ihre Fälschung ist ein Liebesdienst, den sie ihm erweisen will, wenn ich es recht verstanden habe.«
    Wieder verstrich eine Weile, in der sie die beiden nicht mehr sehen konnte.
    »Was tut sich?« Sie wurde unruhig.
    »Sieh einer an«, murmelte er gedehnt. »Die Turteltauben verbergen sich dort zwischen den beiden Häusern. Auch ich hatte diesen Ort zunächst im Sinn, habe dann aber festgestellt, dass wir von hier besser zu allen Seiten blicken und schneller verschwinden können, falls es notwendig werden sollte.«
    Jetzt konnte sie das Tintenweib, wie Mechthild sie genannt hatte, sehen. »Sie geht in das Skriptorium! Was ist, wenn sie Euer Schreiben entdeckt und gegen das ihre austauscht?«
    »Ich werde hineingehen, sobald Reinhardt da und sie fort ist«, erklärte er ihr.
    Es war ein gutes Gefühl, Magnus an ihrer Seite zu wissen. Es schien kaum etwas zu geben, das ihn aus der Ruhe brachte. Vor allem wusste er stets, was zu tun war.
    Heilwig fuhr ein Schauer über den ganzen Körper. Da war etwas an ihren Füßen. Der Rock ihres Kleides raschelte und wogte. Beinahe hätte sie aufgeschrien. Eine Ratte hatte sie gestreift und machte sich eilig auf ihren kurzen Trippelbeinchen davon.
    »Schon gut«, beruhigte Magnus sie. »Die fürchtet sich mehr vor Euch, als dass Ihr Grund habt, ängstlich zu sein.«
    »Ich weiß, es war nur der Schreck«, gab sie zurück und hatte sich im nächsten Moment wieder unter Kontrolle. Wenn die Bildung in ihrem Elternhaus und das Leben mit Adolf sie etwas gelehrt hatten, dann war es Disziplin.
    »Sie kommt zurück.« Er ließ die Depenau

Weitere Kostenlose Bücher