Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die unsichtbare Handschrift

Die unsichtbare Handschrift

Titel: Die unsichtbare Handschrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Johannson
Vom Netzwerk:
sich rasch um Reinhardt kümmern und gleich darauf den Boten begrüßen. Alles lief zu seiner größten Zufriedenheit. Er wandte sich dem Skriptorium zu, als er Schritte hinter sich hörte.
    »Felding, das nenne ich Glück, dass ich Euch hier treffe!«
    Er wirbelte herum. Domherr Marold stand vor ihm.
    »Ich grüße Euch, verehrter Domherr! Was führt Euch in diese abgelegene Gasse?« Verdammt, was wollte der hier?
    »Nun, wenn ihr die Depenau für so abgelegen haltet, was treibt Ihr Euch dann hier herum?« Wie immer erschien nicht das kleinste Lächeln auf dem Gesicht des arroganten Marold. »Ich komme geradewegs aus Eurem Kontor«, erklärte er wütend. »Euer Geselle sagte mir, Ihr seid wohl wieder einmal in das Skriptorium gegangen. Die Gesandtschaft, die der Rat nach Parma schicken will, wird heute bei mir nach der Abschrift verlangen. Wann gedachtet Ihr sie mir zu bringen?«
    »Aber werter Marold, bitte ereifert Euch doch nicht gar so sehr. Ihr müsst verstehen, dass ich auch mich und meinen Schreiber schützen muss.« Sein Geist war wach und in höchstem Maße alarmiert. Er musste sich etwas einfallen lassen. »Darum habe ich das kostbare Dokument hier hinterlegt. Soeben war ein Bote da und hat es abgeholt. Habt Ihr ihn denn nicht gesehen? Gerade erst ist er doch um diese Ecke gebogen.« Er schaute die Depenau entlang, als könnte er wahrhaftig noch einen Mann erkennen, der eben hinter den Häusern in die nächste Gasse verschwand, und deutete mit dem Finger in die Richtung. »Kein Grund zur Sorge. Er läuft geradewegs zu Eurem Kontor, um Euch die Abschrift zu bringen.«
    Marold kniff die Augen zusammen, aber er hatte den Köder offenbar geschluckt.
    »Was sollen diese Spielchen? Warum habt Ihr mir das Pergament nicht einfach gebracht, Felding?«
    »Wie ich schon sagte, ich muss an meinen Schutz denken. Man muss Spuren verwischen, wisst Ihr noch? Das habe ich getan, nichts weiter.«
    »Euer Schreiber, Euer Bote … Ihr habt zu viel in dieser heiklen Angelegenheit an Euch gerissen. Überhaupt, kann man sich auf diese Männer verlassen, die Ihr mit so wichtigen Aufgaben betraut habt?«
    »Oh, aber gewiss doch! Ich lege meine Hand für jeden Einzelnen von ihnen ins Feuer. Geht nur in Euer Kontor, dann werdet Ihr schon sehen.«
    Er schien noch zu zögern. Dann sagte er: »Also schön, aber gnade Euch Gott, wenn ich den Boten nicht antreffe oder das Schriftstück auch nur den winzigsten Fehler enthält.« Ärgerlich schüttelte er den Kopf. »Verdammt, Ihr hättet es mir längst zeigen müssen, als noch Zeit war, etwas auszubessern. Doch Ihr wart nie zu sprechen. Jedenfalls nicht für mich!«
    »Nein, so war es nicht. Ich hatte viel zu tun. Ich bin ein ehrbarer und tüchtiger Kaufmann. Ihr habt mir nichts davon gesagt, dass Ihr die Abschrift schon frühzeitig ansehen wollt.« Er gewann allmählich wieder die Oberhand, während er sein Unschuldsgesicht aufsetzte. »Aber das war ja auch gar nicht nötig. Mein Schreiber hat eine erstklassige Arbeit geleistet. Selbstverständlich habe ich jede Zeile persönlich geprüft. Ach, was sage ich? Jedes einzelne Wort! Ihr werdet sehr zufrieden sein.«
    Marold schien eine Erwiderung auf der Zunge zu liegen, doch er ließ ihn einfach wortlos stehen und schoss an ihm vorbei in die Richtung, in die der angebliche Bote ebenfalls gelaufen war. Nach wenigen Schritten blieb er abrupt stehen, zögerte einen Atemzug lang und machte kehrt. Was hatte das jetzt wieder zu bedeuten? Felding ballte die Faust in seinem Gewand.
    »Ich habe es mir überlegt. Ihr werdet mich begleiten«, ordnete Marold in einem Ton an, der keinen Widerspruch duldete.
    Felding dachte rasch nach. Die Schriftrolle lag an ihrem Platz. Es konnte höchstens noch das Viertel einer Stunde dauern, bis der Bote sie abholen und in Marolds Kontor bringen würde. Gut, begeistert wäre dieser gewiss nicht, neben dem Pergament auch noch eine Leiche zu finden, aber es war ein hartgesottener Bursche. Der Schreck und der Anblick würden ihn nicht davon abhalten, seinen Auftrag auszuführen. Und wenn Felding ihm ein paar Münzen extra gab, würde er obendrein schweigen.
    »Ihr zögert?«
    »Verzeiht, werter Marold, das Leben eines Kaufmanns ist kein Süßholzschlecken. Wie ich eben schon sagte, bin ich immer fleißig, habe alle Hände voll zu tun. Es gibt ja so viel zu erledigen und zu regeln. Eigentlich wollte ich einem Händler einen Besuch abstatten, doch kann das natürlich warten, wenn Ihr meine geschätzte Anwesenheit

Weitere Kostenlose Bücher