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Die unsichtbare Handschrift

Die unsichtbare Handschrift

Titel: Die unsichtbare Handschrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Johannson
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gesetzt. Er würde in der Tat eiligst ein neues Schreiben verfassen müssen. Marold würde er das zeigen, das Magnus geschrieben hatte und das derzeit gut bewahrt in seinem Kontor lag. Er würde dem Domherrn anbieten, dieses vor seinen Augen zu versiegeln und ihm zu übergeben. Ein kleiner Taschenspielertrick, zugegeben der heikelste Moment seines Vorhabens, und seine erneute Abschrift der Privilegien, die Vorzüge für Kölner Englandfahrer eingeschlossen, bekäme das Siegel und würde endlich nach Parma reisen.
    Felding sah, wie Vitus seinem Gefangenen auf die Beine half. Es ging anscheinend weiter. Auch er sprang hurtig auf die Füße und zerrte sein Reisigbündel wieder auf seinen Rücken. Wohin mochten sie gehen? Er war wirklich neugierig. Vielleicht gab es hier draußen irgendwo eine Hütte, in die sie Magnus zu bringen gedachten. Gut möglich, dass sie vorhatten, von der Gräfin eine Summe zu verlangen, damit sie ihn wieder auf freien Fuß setzen würden. Eine Hütte wäre eine glückliche Fügung. Wenn es ihm gelänge, die vier Ahnungslosen dort einzusperren, konnte er ohne weitere Verzögerung in die Stadt und zu Marold zurückkehren. Er war höchst zufrieden mit sich. Das Einzige, was ihn noch schwerer drückte als das Holz auf seinen Schultern, war der Gedanke, dass die hübsche Esther ihm niemals gehören würde. Er musste sie opfern. Und das war jammerschade. Nein, es war weit mehr als das.

[home]
    Vor den Toren Lübecks am Abend des 18 . April 1226  – Esther
    S ie hatte Norwid alles erzählt. Allein zunächst, die anderen warteten mehrere Fuß vor der Mühle. Nichts hatte sie ausgelassen, nicht einmal den Tod des Reinhardt. Einzig über ihre Schreibfertigkeit hatte sie ihn im Unklaren gelassen. Es machte schließlich keinen Unterschied, ob Kaspar oder sie für das Pergament verantwortlich war, das dem Schauenburger gründlich in die Parade fahren würde. Norwid hatte ihr aufmerksam zugehört mit dem ernsten Gesichtsausdruck, der ihr inzwischen schon vertraut an ihm war.
    »Wenn jedes Wort, das Ihr sagt, die Wahrheit ist, und daran zweifle ich nicht, dann ist dieser Magnus mir herzlich willkommen. Euer Bruder und Euer Bräutigam sowieso. Holt sie nur her. Mein Vater und ich werden uns um das Essen und um Schlafplätze für Euch kümmern. Früher hätte Bille das getan«, fügte er bedrückt hinzu. »Sie wird sich so freuen, Euch wiederzusehen.« Er gab sich alle Mühe, seine Traurigkeit zu verbergen. »Und sie wird sich auch freuen, wenn sie hört, dass Ihr dem Schauenburger eins auswischen werdet. Lasst die anderen nur herkommen«, wiederholte er. »Wir feiern ein Freudenfest.«
    »Macht Euch bitte keine Umstände. Wir wussten nur nicht, wohin. Wir sind Euch schon dankbar, wenn wir für diese Nacht ein Dach über dem Kopf haben, aber wir wollen Euch keineswegs eine Last sein.«
    »So ein Unfug.« Er schüttelte den Kopf und zupfte sich an dem blonden Bart. »Euer Besuch ist ein Lichtstrahl in dieser düsteren Zeit.«
    »Ich danke Euch von Herzen, Norwid.« Sie ging und holte Vitus, Kaspar und Magnus, wie es ausgemacht war.
    Nachdem sie die Männer miteinander bekannt gemacht hatte, ging sie zu Bille. Es war nicht lange her, dass sie das Mädchen zum ersten Mal gesehen hatte, doch kam es ihr wie eine Ewigkeit vor, weil sich seither so vieles zugetragen hatte. Bille war, wie sie glaubte, noch blasser als bei ihrer ersten Begegnung. Sie schien zu schlafen. Außer ihr war niemand in der kleinen, finsteren Kammer, in der es auch an diesem Tag übel roch. Der Müller hatte wohl eingesehen, dass es ihr nicht viel nützte, wenn er Stunde um Stunde bei ihr hockte. Er musste seiner Arbeit nachgehen, damit half er ihr mehr.
    Mit einem Mal schlug sie das gesunde Auge auf und drehte ihren Kopf zu Esther.
    »Ihr haltet Euer Versprechen, mich wieder zu besuchen, schnell. Das hätte ich nicht gedacht.« Ihre Stimme war schleppend und schwach. Ihr Zustand war zum Gotterbarmen. »Ihr dachtet bestimmt, ich mache es nicht mehr lange, was?« Sie versuchte ein Lachen, musste aber husten.
    »Sagt doch nicht so etwas, ich bitte Euch.« Esther wurde es schwer ums Herz. Das durfte das arme Geschöpf um keinen Preis spüren. »Nein, es gibt einen wahrlich erfreulichen Grund für meinen Besuch. Ich bin nämlich nicht alleine gekommen. Am besten, Ihr ruht Euch erst einmal noch ein wenig aus. Euer Bruder wird Euch alles erzählen.«
    »Ihr spannt mich auf die Folter, und ich soll schlafen? Wie soll das gehen?«
    Die Kleine

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