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Die unsichtbare Handschrift

Die unsichtbare Handschrift

Titel: Die unsichtbare Handschrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Johannson
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sinken und streckte ihm die knochige Hand hin.
    Felding gab ihr zwei Pfennige und warf sich die gebundenen Äste auf den Rücken. Verflucht, es wog mehr, als er vermutet hatte. Kein Wunder, dass die Alte nicht mehr aufrecht gehen konnte.
     
    Nachdem sie ein gutes Stück gelaufen waren, legten die hübsche Esther und ihre Begleiter eine Rast ein. Ihm war es nur recht, denn der Schweiß rann ihm trotz des kühlen Winds bereits in Strömen von der Stirn und über den Rücken. Er ließ seine Fracht ins hohe Gras gleiten und hockte sich, geschützt von einem Fliederbusch, daneben.
    Wieso hatten sie Magnus in ihrer Gewalt? Das wollte ihm nicht in den Kopf. Er musste gründlich nachdenken, sich den Morgen noch einmal ins Gedächtnis rufen. Reinhardt war pünktlich zur siebten Stunde am Skriptorium gewesen, dessen Schloss bereits geöffnet worden war. Esther hatte ihr Schreiben auf Reinhardts Pult bereitgelegt und war längst wieder fort. Alles so, wie er es erwartet hatte. Er hatte ihre Abschrift in seinem Gewand verschwinden lassen, seine eigene Ausgabe der Barbarossa-Privilegien auf dem Pult zurückgelassen und diesen jämmerlichen Schreiber aus dem Weg geräumt. Auch das war exakt so gelaufen, wie er es sich zuvor ausgemalt hatte. Anstatt dann allerdings in Ruhe auf die Ankunft des Boten warten zu können, musste er mit Marold gehen, der unglücklicherweise aufgetaucht war. Was sich danach am Skriptorium zugetragen hatte, wusste er nicht. Hatte Esther es mit der Angst bekommen und war zurückgekehrt, um ihr Pergament zu holen? Das war nicht gerade überzeugend, aber immerhin denkbar. Vitus konnte sie dazu gebracht haben. Wie passte aber Magnus in die Geschichte? Natürlich, er hatte herausgefunden, wo die Übergabe geschehen sollte, und war sicherlich von der Gattin des Grafen oder sogar vom Grafen selbst beauftragt worden, die Durchführung zu überwachen, um Bericht erstatten zu können. Wenn es so war, dann hatten alle drei die Leiche zu sehen bekommen. Verfluchter Dreck! Das würde doch bedeuten, dass zumindest dieser Magnus, wenn er das Skriptorium beobachtet hatte, den Mörder kannte. Ja, es war sehr gut möglich, dass er ihn, Felding, hatte mit Reinhardt hineingehen sehen. Auf der anderen Seite … Falls die beiden Turteltauben vor Magnus die Schreiberwerkstatt betreten hatten, stünden sie ebenfalls unter Verdacht. Als ob nicht alles schon arg genug wäre, fuhr ihm jetzt richtig der Schreck in die Glieder. Wenn Esther zurückgekommen war, um ihr Schreiben zurückzuholen, das aber längst in seinem Gewand steckte, dann hatte sie stattdessen seine Fassung an sich genommen. Das Pergament an Ort und Stelle, die Angst im Nacken, jeden Moment entdeckt zu werden, da würde sie sich nicht lange damit aufgehalten haben, einen Blick darauf zu werfen. Deswegen war auch der Bote nicht bei Marold aufgetaucht. Höchstwahrscheinlich hatte er das Skriptorium betreten, den Toten gesehen, dafür aber keine Urkunde gefunden und schleunigst das Weite gesucht.
    Er vergewisserte sich, dass die vier noch unter dem großen Baum hockten. Wie es aussah, machten sie keine Anstalten, so bald weiterzuziehen. Was er noch immer nicht verstand, war, warum Magnus gefesselt war. Das ergab in seinen Augen keinen Sinn. Sie hätten ihn töten sollen oder vielleicht vor ihm auf und davon laufen. Nur hatte es sich gerade umgekehrt abgespielt. Er war an der Dombaustelle der Gejagte gewesen. Musste ihn das überhaupt kümmern, fragte er sich mit einem Mal. Im Grunde nicht. Wichtig war doch nur, dass Esther das Dokument bei sich führte, das er selbst für den Kaiser verfasst hatte. Er hatte im Gegenzug ihre Version und obendrein noch die, die er Magnus hatte schreiben lassen. Alles war ganz einfach. Er musste die vier irgendwie aus dem Weg schaffen. Dann konnte er zu Marold gehen und ihm Esthers Schriftstück sowie ihr Geständnis, dass sie schreiben kann, vorlegen. Weiter würde er behaupten, dass sie seinem Boten aufgelauert und den bedauernswerten Reinhardt ins Jenseits befördert hatten. Er würde voller Abscheu berichten, wie sie Marold eine Fälschung hatten andrehen wollen, was er jedoch vereitelt hatte. Es würde herrlich werden, er könnte sich damit brüsten, ganz allein dafür gesorgt zu haben, dass den Halunken ihr Handwerk gelegt wurde, und bereits eigenhändig eine neue Abschrift verfasst zu haben. Dieser arrogante Widerling würde ihn um Verzeihung bitten müssen. Welch eine Genugtuung! Vor die Ernte hatte der Schöpfer leider das Säen

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