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Die unsichtbare Handschrift

Die unsichtbare Handschrift

Titel: Die unsichtbare Handschrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Johannson
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Wagen legte, damit wir sie mit nach Lübeck nehmen können, hat mir niemand sagen wollen, was ihr zugestoßen ist.«
    »Dieses Monstrum hat sich über sie hergemacht, wann immer seine Gattin ihm nicht zu Willen war oder er Appetit auf etwas Jüngeres hatte.«
    »Norwid!«
    »Es ist doch wahr, Vater!«
    »Das ist es, aber wir haben Gäste, darunter eine junge Dame, für deren Ohren solche Geschichten nicht taugen.«
    »Schon gut«, sagte Esther leise, obwohl sie bei der Vorstellung, dass Bille mit diesem Fiesling das Lager hatte teilen müssen, wann immer er wollte, das Grauen packte.
    »Sie war nicht die Einzige. Er hat sich stets die Magd genommen, die ihm in die Finger kam. Darum habt Ihr meine Schwester nicht sehr oft gesehen. Sie hat sich jeden Tag aufs Neue bemüht, Arbeiten zu erledigen, bei denen sie ihm eben nicht über den Weg lief. Immer ließ es sich nur nicht vermeiden.«
    »So ein dreckiges Schwein«, schimpfte Kaspar. »Wenn das jemand meiner Malwine antäte, ich weiß nicht, was ich mit ihm anstellen würde.«
    Vitus zog fragend die Brauen hoch, Esther lächelte nur vielsagend.
    »Und wie ist das mit dem Bein und dem Auge geschehen?«, wollte Kaspar wissen.
    Norwid berichtete, wie sie dem Grafen einmal entwischt war. Er hatte ihr wutentbrannt nachgestellt, einen metallenen Leuchter gegriffen und nach ihr geworfen. Gerade in dem Moment hatte sie sich umgedreht, um zu sehen, ob sie ihrem Peiniger entkommen konnte. Der Leuchter schlug ihr das Auge aus, sie taumelte und stürzte rückwärts eine Steintreppe hinunter. Norwid fasste sich kurz, bemühte sich, die gar zu scheußlichen Einzelheiten nicht zu schildern. Dennoch war es so still in dem Raum, dass man Bille in ihrer Kammer nebenan leise schnarchen hören konnte.
    Magnus erzählte, wie furchtbar zugerichtet er Heilwig vorgefunden hatte, kurz bevor sie nach Lübeck aufgebrochen waren. »Mit seinem eigenen Eheweib geht dieser Teufel nicht besser um als mit den Mägden. Es war nicht immer so, aber es wurde mit jedem Sommer, der ins Land ging, schlimmer. Ich kenne Heilwig, seit sie auf der Welt ist. Ich habe sie auf meinen Knien geschaukelt, gesehen, wie sie zu einer Dame heranwuchs. Wie ich Euch schon sagte, ich verstehe mich als ihr persönlicher Schreiber. Ihr bin ich verpflichtet, nicht ihrem Gatten.«
    »Darauf wollen wir trinken!«, rief Norwid etwas zu laut aus. Es lag auf der Hand, dass er die beklemmende Stimmung in der Stube zu vertreiben suchte. »Wollten wir nicht ein Freudenfest feiern? Vater, bring uns doch eine Flasche von deinem Selbstgebrannten«, schlug er vor.
     
    So beklemmend ihr Beisammensein auch angefangen hatte, so erfreulich wurde es später. Sie tranken und erzählten sich voneinander. Magnus konnte herrliche Geschichten zum Besten geben, wie er als junger Bursche einmal in einen Hühnerstall gestiegen war. Das Federvieh war völlig verängstigt, gackerte und flog so um ihn herum, dass er gar nicht in der Lage war, nach Eiern zu suchen. Am Ende hatte er aufgegeben und, Hühnerkot im Haar und eine Feder an der Lippe, die Flucht ergriffen.
    »Wo wir gerade von Hühnern sprechen«, begann Kaspar. »Es gibt da ein ganz besonderes Tintenrezept.« Er senkte die Stimme, um die Spannung zu erhöhen. Esther, die ahnte, was jetzt kam, rollte mit den Augen. »Man muss die Zutaten in eine leere Eierschale geben und von dem Huhn mehrere Tage ausbrüten lassen. Dann erhaltet Ihr ein Pulver, das Ihr nur noch mit Wasser verrühren müsst. Ihr könnt Euch nicht vorstellen, welch herrliche Tinte sich auf diese Weise herstellen lässt.«
    »Nein, das kann ich mir tatsächlich nicht vorstellen«, stimmte Vitus belustigt zu.
    »Das ist nicht verwunderlich, weil du dich damit nicht auskennst.« An Esther gewandt, fragte er: »Wie weit bist du damit eigentlich gekommen? Hast du schon alles zusammen, was wir brauchen?«
    »Ach, Kaspar, ich bitte dich, du glaubst dieses Ammenmärchen doch nicht wirklich. Zutaten, die von einer Henne ausgebrütet werden müssen … Da hat dir wahrlich jemand einen Bären aufgebunden.«
    »Das glaube ich nicht«, gab er verdrossen zurück.
    Die anderen feixten. Norwid schenkte erneut die Gläser voll, sein Vater zündete zwei Talglampen an, beides Zeichen ihrer Großzügigkeit und Gastfreundschaft. Magnus erfreute die Runde mit einer weiteren Geschichte.
    »Wenn ich Euch erzähle, wie ich dem Bischof das erste Mal begegnete, werdet Ihr mir nicht glauben. Ich war noch ein Kind, flink und äußerst geschickt darin,

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