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Die unsichtbare Handschrift

Die unsichtbare Handschrift

Titel: Die unsichtbare Handschrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Johannson
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Patrizier und Kaufleute um ihre Geldkatze zu erleichtern. Als ich die Silberspangen auf den Schuhen des Bischofs sah, war es um mich geschehen. Ich wollte sie unbedingt haben. Ich warte also einen günstigen Moment ab, in dem viele Menschen um ihn herum sind, es ein Gedränge gibt und niemand auf einen Knirps achtet, der auf allen vieren gekrochen kommt. Ich schwöre Euch, der Bischof hat sich nichts anmerken lassen, obwohl er mich auf der Stelle entdeckt haben muss. Ich pirsche mich also an, löse fingerfertig die Spange von seinem ersten Schuh und finde mich im nächsten Augenblick in der Luft baumelnd wieder. Er hat mich am Hosenboden gepackt, so dass ich auf der Höhe seines mächtigen Wanstes hing wie ein Fisch an der Angel.«
    Wieder großes Gelächter, dann musste Magnus erzählen, wie es nach dieser Begegnung zu einer Freundschaft zwischen ihm und dem Bischof hatte kommen können. Das tat er gern. Er hatte also eine Ausbildung als Ritter genossen. Kein Wunder, dass er sich auszudrücken und zu benehmen wusste.
    Als sie schließlich zu Bett gingen, waren sie alle müde, aber recht zuversichtlich. So schwierig und voller böser Überraschungen der Tag auch gewesen sein mochte, so glücklich war es doch, dass er diese kleine Gemeinschaft zusammengeführt hatte. Das Lager der Gäste war in einem Raum der Mühle gerichtet, in dem die fertigen Mehlsäcke darauf warteten, abgeholt zu werden. Sie erklommen eine Stiege in einem Anbau. Selbst bei stärkstem Regen blieb das Mehl hier oben trocken.
    Magnus und Kaspar legten sich auf die Strohballen zur Linken, Vitus und Esther zur Rechten der Säcke.
    Als sie unter die Wolldecke kroch, meinte Esther, ihr würden die Augen auf der Stelle zufallen.
    »Für dich habe ich auch eine Kette gemacht«, flüsterte Vitus da und legte ihr in der Dunkelheit einen Kranz aus kleinen Blüten und Blättern um den Hals. Dann presste er seinen warmen Körper an ihren Rücken. »Gute Nacht, meine geliebte Esther.«
    »Gute Nacht, Vitus.« Was hatte sie an diesem Tag nicht alles durchgemacht und war dennoch so glücklich wie nie zuvor.
     
    Sie erwachte aus einem verworrenen Traum. Wo war sie nur? Ein Gefühl von Weite erfüllte sie, das konnte kaum ihre kleine Schlafkammer sein. Natürlich nicht, sie erinnerte sich wieder. Sie war in der Mühle, zusammen mit Vitus, Kaspar und Magnus. Sie hörte das Schnarchen der Männer. Zufrieden schob sie ihr Hinterteil näher an Vitus heran, um sich an ihm zu wärmen, und zog die Decke bis an ihr Kinn. Sie wollte noch etwas schlafen, bei Morgengrauen würden sie aufbrechen. Kaum dass sie sich erneut bequem und dicht an ihren Geliebten geschmiegt hatte, spannte sich ihr Körper mit einem Schlag an. Da war doch etwas, da war ein Geräusch gewesen. Zuerst glaubte sie, sich getäuscht zu haben. Wahrscheinlich war es nur das Grunzen der Männer, die allesamt zu viel von dem Selbstgebrannten durch ihre Kehlen hatten fließen lassen. Oder eine Maus oder Ratte war über den Boden gehuscht. Das konnte vorkommen. Nein, da war es wieder. Jetzt war sie ganz sicher, da war ein Knacken gewesen. Ihr wurde heiß und gleich wieder kalt. Hätten sie Magnus doch nicht trauen dürfen? Was, wenn er längst ein Messer gezückt hatte und über Kaspar gebeugt stand, um ihm als Erstem den Hals durchzuschneiden? Sie musste sich beruhigen. Immerhin war es Felding, der Reinhardt auf dem Gewissen hatte, nicht Magnus.
    »Vitus«, flüsterte sie. Keine Antwort, er schlief tief und fest.
    Das Knacken wurde lauter und war in immer kürzeren Abständen zu hören. Ein leises Knistern kam hinzu. Außerdem war da … Sie schnupperte. Das war Rauch! Heilige Mutter Gottes, es brannte.
    »Aufwachen!«, rief sie. »Es brennt! Feuer!«
    Vitus schnellte hoch. »Was ist los?«
    Auch auf der anderen Seite der Mehlsäcke rührte sich etwas, Schritte nackter Füße auf dem Holzboden. Magnus öffnete die winzige Luke, die es anstelle eines Fensters gab. Von draußen drang schwach ein flackernder Schein zu ihnen.
    »Die Mühle brennt!«, schrie er entsetzt.
    Auch Vitus war bereits auf den Beinen. »Wir müssen hier raus, schnell, und den anderen drüben im Haus helfen!«
    Esther war mit zwei Sätzen bei Kaspar, der noch immer selig schlummerte.
    »Aufwachen, Kaspar, es brennt!« Sie packte seine Schulter und schüttelte ihn kräftig. Er grummelte vor sich hin, stieß sie weg und zog sich die Decke über die Nase. »Mann in de Tünn«, schimpfte sie, »das gibt’s doch nicht. Wach auf, sonst wirst

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