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Die unsichtbare Handschrift

Die unsichtbare Handschrift

Titel: Die unsichtbare Handschrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Johannson
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zurück. Dann blieb er wie angewurzelt stehen. Der Bottich glitt ihm aus der Hand, das Wasser versickerte im sandigen Boden. Er packte sich an die Brust und brach im nächsten Augenblick zusammen. Vitus kniete sofort bei ihm, und auch Norwid rannte los. Als Esther sich ebenfalls auf den Weg machen wollte, hielt Magnus sie auf.
    »Bleibt hier! Ihr könnt ihm nicht helfen. Zwei starke Männer, das ist alles, was er jetzt braucht.«
    Sie schleppten den Müller, der sich nicht rührte, zu der Stelle, wo Kaspar bei Bille hockte.
    »Er muss leben«, sagte Esther heiser. »Wären wir nicht gekommen, läge er friedlich in seinem Bett, und seine Mühle stünde nicht in Flammen.«
    »Das steht nicht fest. Feuer ist eine ständige Gefahr, das wisst Ihr. Allzu schnell frisst es hier einen Stall, da eine Kathedrale oder eben eine Mühle.«
    »Ihr wollt mir weismachen, dass es Zufall ist? Das würde ich nur zu gerne glauben, bloß kann ich es nicht.«
    »Zufall oder nicht …«
    Ein Schrei schnitt ihm das Wort ab. Sie blickten sich beide nach den anderen um, doch von denen hatte niemand diesen markerschütternden Laut von sich gegeben. Auch Vitus, Norwid und Kaspar sahen sich erschrocken um.
    »Wir sind nicht alleine«, stellte Magnus fest. »Gut möglich, dass Ihr mit Eurem Verdacht recht hattet.« Er lief mit langen Schritten zu dem Anbau, aus dessen Richtung der Schrei gekommen war. Esther hatte Mühe, ihm zu folgen.
    »Wen haben wir denn hier?«, fragte Magnus gedehnt, als er den Mann erkannte.
    »Ihr?« Esther starrte Felding an, der auf dem Boden kauerte und sich den rußverschmierten, blutenden Arm hielt.
    »Ich konnte Euch nicht brennen lassen, darum bin ich zurückgekehrt«, erklärte er keuchend.
    »Welch rührende Geschichte.« Magnus’ Stimme triefte vor Ironie.
    »Das soll doch wohl heißen, Ihr habt das Feuer gelegt«, stellte Vitus fest, der hinzugekommen war.
    Es krachte und toste. Hier ging ein brennender Balken zu Boden, dass die Funken nur so stoben, dort stürzte ein ganzes Stück des Dachs in sich zusammen, als wäre es nur aus Blättern und Ästchen gedeckt gewesen.
    »Wir müssen hier weg. Könnt Ihr gehen?« Vitus funkelte ihn verächtlich an.
    Felding rappelte sich hoch, knickte aber sofort wieder ein und heulte auf. Sein Bein hatte offenbar auch etwas abbekommen.
    »Dann müssen wir ihn eben tragen«, meinte Vitus und packte auch schon an. Felding schrie vor Schmerz, was Vitus nicht kümmerte.
    »Warum lasst Ihr ihn nicht liegen?« Norwids Gesicht glühte. In seinem Bart und in dem blonden Haar hingen Asche und Splitter. »Wenn ich es richtig verstanden habe, ist das der Mann, der mit dem Schauenburger gemeinsame Sache macht. Soll er erst hier verkohlen und dann in der Hölle schmoren!«
    »Es ist unsere Christenpflicht, ihn zu retten«, erwiderte Vitus schlicht.
    Magnus fügte hinzu: »Wer weiß, vielleicht kann er uns noch nützlich sein.« Er packte Feldings Füße. Gemeinsam schleppten sie ihn fort von dem Feuer, das so heiß brannte, als wären sie längst alle in der Hölle, und legten ihn ein gutes Stück abseits von Bille und dem alten Müller in das hohe Gras.
    Esther taumelte hinter ihnen her und ließ sich an einer mächtigen Eiche einfach fallen. Gegen den Stamm gelehnt, beobachtete sie, wie die Flammen alles verschlangen. Ihr gingen Feldings Worte nicht aus dem Kopf. Er hatte sie nicht brennen lassen können. Darum war er zurückgekehrt. Vitus hatte recht, das konnte nur eins bedeuten: Er war hinter ihnen her gewesen, ohne dass einer von ihnen etwas bemerkt hatte. Er hatte diese schreckliche Feuersbrunst entfacht, die Tür verriegelt und damit gerechnet, dass sie alle darin umkamen. Reinhardts Tod ging auf seine Rechnung, gewiss hätte es ihm nicht viel ausgemacht, noch mehr Leben auf sein Gewissen zu laden. Nur sie, Esther, hatte er nicht töten können. Sie starrte vor sich hin.
    »Schon gut, es ist alles gut. Beide werden es schaffen, Bille und auch ihr Vater. Alles wird wieder gut werden.« Sie hatte nicht gemerkt, dass Vitus zu ihr gekommen war und sich über sie beugte. Auch spürte sie jetzt erst, als er sich neben sie in das Gras gleiten ließ und ihr den Arm um die Schultern legte, wie sehr sie am ganzen Leib zitterte und dass Tränen ihr unablässig über die Wangen liefen. Da waren sie also, Kaspar und Norwid hockten bei Bille und dem alten Müller, Magnus gab auf Felding acht, und Vitus und sie hielten einander umschlungen. Gemeinsam sahen sie zu, wie das Bauwerk, das bis zum

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