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Die unsichtbare Handschrift

Die unsichtbare Handschrift

Titel: Die unsichtbare Handschrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Johannson
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der Lärm, der von der Dombaustelle herübertönte, war einfach zu groß gewesen. Nur zu gut erinnerte sie sich noch, wie sie das Stück Papier in ihren Händen gehalten hatte, das sie vollkommen in seinen Bann zog. Papier, das war etwas ganz Besonderes. »Ich glaubte, es sei ein Wink des Himmels«, beendete sie ihre Erklärung. »Warum sonst sollte ausgerechnet ich diesen kleinen Fetzen mit Eurer Handschrift darauf finden?«
    Er hatte sie nicht aus den Augen gelassen. »Ihr habt also geübt, bis Ihr den Schwung meiner Buchstaben gut genug kanntet, um ihn nachzuahmen?«
    »Ja, Herr, so war es. Bitte verzeiht mir, ich weiß ja, dass es Unrecht war. Es gibt keine Entschuldigung dafür, ich weiß.«
    »Allerdings, die gibt es nicht«, entgegnete er ernst. Wieder nahm er das Blatt zur Hand und las aufmerksam Zeile um Zeile. Sie meinte sowohl Beunruhigung als auch ein gewisses Entzücken in seinem Antlitz zu entdecken. »Wahrlich, wüsste ich es nicht besser, ich würde behaupten, dies sei eines meiner Schriftstücke«, sagte er, als er das Pergament auf sein Pult sinken ließ. Er sah sie lange schweigend an.
    Esther hatte die Arme auf ihrem Rücken so sehr ineinander verschlungen, dass es schmerzte. Wenn er doch nur etwas sagen würde.
    Das tat er. »Gerade noch hatte ich nichts, was ich der Gesandtschaft nach Parma hätte mitgeben können. Jetzt liegen drei Abschriften vor mir.« Ein Lächeln huschte über seine Lippen und war so schnell wieder verschwunden, dass sie nicht sicher war, ob es überhaupt jemals da gewesen war. »Da gibt es noch zwei Dinge, die ich nicht verstehe. Ihr sagtet, die Pergamente, die Ihr bei Euch hattet, stammten aus Eurer und aus Feldings Feder. Welche Fassung war es dann, die Felding mir als die Eure präsentieren wollte?«
    »Felding hat mehr als ein doppeltes Spiel getrieben. Vom Schauenburger hat er sich entlohnen lassen, damit er eine Abschrift anfertigen lässt, in der die Freiheit der Lübecker, nun sagen wir, vergessen wird. Von Euch erhoffte er sich klingende Münze für eine Abschrift, die den Lübeckern ihre Freiheit zusichert, die er jedoch nie hat schreiben lassen. Er ließ es Euch nur glauben.« Sie konnte ein zufriedenes leises Lachen nicht unterdrücken. »Dass auch Magnus ein doppeltes Spiel spielte, ahnte er nicht.«
    »Ich verstehe nicht.«
    »Nun, er tat, was Felding von ihm verlangte. Doch er tat noch mehr als das. Er setzte nämlich eine zweite Fassung auf und bot dem Schreiber Reinhardt, der die Übergabe an den Boten überwachen sollte, Geld, damit er beide Schriftrollen im letzten Moment tauschte. Zu diesem Zweck lag die Abschrift, die im Sinne der Lübecker geschrieben war, auf Reinhardts Pult, verborgen unter einem Putzlumpen. Felding muss sie entdeckt und für meine gehalten haben. Er nahm sie an sich.«
    »Warum ließ er Euch etwas schreiben, was er dann an sich nahm, bevor der Bote auftauchte?«
    Sie spürte, wie ihr die Hitze in die Wangen schoss. »Nun, Herr, ich vermute, er hat sich Hoffnungen bei mir gemacht und wollte mich glauben lassen, er sei eigentlich ein guter Kerl, der mir ein günstiges Geschäft anbot. Er hat mir bei unserer ersten Begegnung den Hof gemacht, müsst Ihr wissen. Doch seine Freundlichkeit war eben nur Schein. Außerdem, so sagte er mir einmal, wollte er immer einen Sündenbock parat haben. Deshalb ließ er mich Eure Handschrift nachahmen, damit er Euch die Fälschung zur Not in die Schuhe hätte schieben können. Er hatte mir aufgetragen, meine Abschrift auf Reinhardts Pult zu hinterlegen. Als er dort diejenige fand, die Magnus zum Schaden des Schauenburgers verfasst hatte, glaubte er, es müsse sich um meine handeln. Natürlich war er enttäuscht, dass ich Eure Schrift nicht überzeugend hinbekommen hatte. Er konnte Euch nicht mehr zum Sündenbock machen, sondern musste, falls nicht alles nach seinem Plan vonstattenging, mir diese Rolle zuschieben.«
    Sie konnte sehen, wie seine Kieferknochen mahlten.
    »Allmählich begreife ich. Dieser Magnus hat ihn also gewissermaßen mit seinen eigenen Waffen geschlagen. Doch etwas ist mir nicht klar. Was hatte es mit dem Pergamentfetzen auf sich?«
    »Felding wusste nicht von Anfang an, dass ich des Schreibens mächtig bin. Niemand wusste es außer meinem Bruder Kaspar und Vitus. Ihr werdet begreifen, dass ich es vor jedermann verborgen habe. Felding glaubte also, mein Bruder solle die Abschrift anfertigen, die die Lübecker Englandfahrer bevorzugt und Vitus das Leben erleichtert. Er drohte, Kaspar

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