Die unsichtbare Handschrift
ab.
»Es ist nur … Ich würde gern bei meiner Braut bleiben, nach allem, was geschehen ist. Das werdet Ihr gewiss verstehen. Magnus wird ganz sicher allein mit Felding fertig.«
»Es wird mir ein Vergnügen sein«, entgegnete Magnus und neigte höflich den Kopf.
»Ihr geht beide«, entschied Marold. »Ich will mit dem Weib alleine sprechen.«
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Lübeck, 19 . April 1226 – Esther
S ie faltete die Hände auf ihrem Rücken und knetete ihre Finger. So froh sie auch war, dass der Domherr Felding, den Vitus und Magnus unter unaufhörlichem Zetern und Krakeelen aus dem Kontor geschleift hatten, kein Wort glaubte, so unsicher war sie, was ihre eigene Person anging.
Warum sagte er nur nichts? Sie wartete, dass er ihr Fragen stellen würde, doch er hatte es sich auf seinem Stuhl mit der hohen Lehne bequem gemacht, als wäre sie gar nicht da. Esther fühlte sich elend. Sie schickte still ein Stoßgebet zum Himmel. Nie wieder würde sie sich auch nur der kleinsten Verfehlung schuldig machen, flehte sie, wenn Gott und alle Heiligen ihr dieses eine Mal zur Seite stehen wollten.
Marold faltete seine Hände. »Nun, habt Ihr mir nichts zu sagen, Esther aus Schleswig?«
Ihr fielen die Abschriften ein, die sie in ihrem Kleid verbarg. Darunter war die von Felding. Wenn sie sie Marold zeigte und behauptete, sie hätten sie Felding abgenommen, der damit dem Schauenburger und auch sich selbst einen Dienst erweisen wollte, würde er ihr dann glauben? Schweiß stand ihr auf der Stirn, sie trat von einem Fuß auf den anderen. Ihr Blick fiel auf ihre Schuhe, die, nachdem sie die Trippen weggeschleudert hatte, voller Schlamm und Dreck waren. Der linke hatte gar ein Loch abbekommen.
»All die Männer, die sich gegenseitig der Lüge bezichtigen, dazwischen Ihr, eine Frau, von der Felding sagt, sie verstünde zu schreiben. Ich hatte gehofft, wenn ich mit Euch alleine wäre, würdet Ihr mir in aller Ruhe berichten, was sich zugetragen hat. Denn seht Ihr, es ist wahr, dass ich schon gestern auf eine Abschrift gewartet habe, wie Felding sie mir soeben zeigte. Ich habe nicht die geringste Ahnung, warum mir dieser Wahnsinnige einen leeren Pergamentfetzen unter die Nase gehalten hat. Ebenso wenig weiß ich, ob ich diese Abschrift hier guten Gewissens nach Parma senden kann, was mir sehr lieb wäre.« Er seufzte. »Ich hatte wahrlich gehofft, Ihr könntet Licht in das Dunkel bringen.«
Sie wagte ihn anzusehen und blickte in ein freundliches Gesicht und warme Augen. Rasch spähte sie zum Fenster hinaus. Die Sonne schien, es würde ein warmer Tag werden. Auch der Wind hatte sich gelegt, bemerkte sie jetzt erst. Mit einem Mal hatte sie das Bedürfnis, ihm die Wahrheit zu sagen. Sie hatte die Hoffnung, damit ihre Seele retten zu können, und war bereit, den Preis dafür zu zahlen.
»Ihr könnt dem Kaiser diese Abschrift nach Parma senden. Sie stammt aus der Feder von Magnus, den Ihr mit Vitus und Felding fortgeschickt habt. Er hat sie in der Weise verfasst, die Ihr oder besser die Ratsmänner wünschten.« Sie schluckte kurz. »Viel verstehe ich von alldem nicht, aber ich bin guten Mutes, dass der Schauenburger niemals Stadtherr wird, wenn der Kaiser das hier unterzeichnet.« Sie deutete auf das Pergament, das Marold von Felding erhalten hatte.
»Der Ansicht bin ich auch. Also dieser Magnus hat das geschrieben. Interessant. Was aber ist mit Euch? Wie seid Ihr in dieses Durcheinander geraten? Und was ich besonders gern wüsste: Was habt Ihr mit Felding zu schaffen?« Er beugte sich weit über sein Pult.
Esther holte tief Luft und begann zu erzählen. Sie berichtete von ihrer ersten Begegnung mit dem Kaufmann aus Köln.
»Die ganze Stadt sprach von den Barbarossa-Privilegien, die zu Kaiser Friedrich gebracht werden sollten. Ich habe Euch sogar selbst einmal mit einem Ratsmann darüber reden hören«, gestand sie leise.
Er wurde nicht wie erwartet zornig, weil sie ihn belauscht hatte, sondern sagte: »Daher war mir Euer Gesicht bekannt. Nein, bekannt wäre zu viel gesagt, aber ich wusste, dass ich Euch schon gesehen hatte. Sprecht weiter!«
»Als ich mit Vitus darüber redete, malte er sich aus, wie es wäre, Einfluss auf die Rechte nehmen zu können, die die Lübecker sich unterschreiben lassen wollten. Ihr müsst das verstehen. Seit die Leute aus Köln und aus Tiel gegenüber den Lübecker Englandfahrern so viel besser gestellt sind, ist es für ihn so schwer geworden, Geschäfte zu machen. Er hat alles versucht, glaubt mir. Er
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