Die unsichtbare Handschrift
verwenden wird! Malwine wird Augen machen, wenn ich ihr das erzähle.«
»Nicht so laut, Kaspar. Und du darfst es ihr niemals erzählen, hörst du? Bitte, Kaspar, dieses eine Mal musst du schweigen, wenn es dir auch noch so schwerfällt. Von nun ab soll es wieder ein Geheimnis sein, dass du mir das Lesen und Schreiben beigebracht hast. Vor allem aber muss es ein Geheimnis zwischen uns allen bleiben, dass es meine Abschrift ist, die dem Kaiser vorgelegt wird.« Sie blickte beschwörend in die Runde. Dann seufzte sie und sagte: »Ich glaube, ich rühre nie wieder einen Gänsekiel an.«
»Wenn du erst meine Frau bist und meine Auftragsbücher wieder voll sind, dann wäre es allerdings nicht übel, wenn du dich um Rechnungen und dergleichen kümmern würdest.« Vitus warf ihr einen liebevollen Blick zu.
»Ich werde deine Kinder großziehen und dafür Sorge tragen, dass sie niemals Feder und Tinte zur Hand nehmen.« Sie verzog in gespieltem Entsetzen das Gesicht.
»Und du wirst weiterhin für mich Tinte mischen«, ergänzte Kaspar. »Hast du vergessen, dass ich unbedingt diese Rezeptur aus Quecksilber und Rauschgelb ausprobieren möchte? Du weißt schon, die, die du von einem Huhn ausbrüten lässt.«
»Diese Rezeptur kannst du tunlichst alleine herstellen, ich werde sie dir gewiss nicht mischen.« Sie lachte und schüttelte den Kopf. Die anderen amüsierten sich ebenfalls. »Vergiss nicht, ein Jahr lang werde ich weniger Zeit für dich haben, wenn ich den Nonnen zu Diensten sein muss.«
»Wie wäre es, wenn Esther Malwine in die Kunst des Tintenmachens einführen würde? Mir scheint, es ist etwas Ernstes zwischen euch, oder irre ich da?« Vitus sah ihn erwartungsvoll an.
Kaspar schüttelte den Kopf und begann eine seiner Locken mit dem Finger aufzudrehen.
»Nein, ich weiß nicht, ich meine, es ist doch noch viel zu früh, das zu sagen. Ich mag Malwine. Sie ist bezaubernd.«
»Oho«, machte Magnus und lachte ihn freundlich an. »Worauf wartet ihr dann noch?«
»Worauf ich warte?« Er machte große Augen, so dass sich die sommersprossige Stirn in Falten legte. »Ich warte darauf, dass die ebenso verrückten wie gefährlichen Unternehmungen meiner Schwester zu einem guten Ende kommen und ich endlich wieder mein gewöhnliches Leben führen darf. Ich warte darauf, dass diese ganze Angelegenheit endlich vergessen ist.«
Esther schämte sich ein bisschen, denn sie hatte ihren Bruder wahrhaftig in etwas hineingezogen, das böse hätte ausgehen können.
»Das wird nie geschehen, Kaspar«, meinte Vitus ernst. »Diese Angelegenheit wird nie vergessen werden. Die neuen Privilegien sind von größter Bedeutung für unsere Stadt. Wenn alles nach Plan verläuft, werden sie uns unsere Freiheit bringen. Und es ist wahrhaftig meine Esther, die ihren Anteil daran hat.« Er griff nach ihrer Hand. »Esther aus Schleswig«, sagte er feierlich, »von dir werden die Menschen in Lübeck noch sprechen, wenn es uns längst nicht mehr gibt.«
Die Zeit flog nur so dahin. Vitus hatte seinen Stuhl ganz nah an den ihren gerückt und hielt sie im Arm oder legte zumindest seine Hand auf ihre. Sie spürte seine Wärme und fühlte sich geborgen und sicher. Doch nicht nur seine Anwesenheit, seine Nähe tat ihr gut, auch das Beisammensein mit den anderen erfüllte sie mit großer Zufriedenheit. In den letzten Stunden waren aus Fremden, ja sogar aus Feinden Freunde geworden. Offenbar war sie nicht die Einzige, die dieses Wunder staunend beobachtete und nicht an den Abschied denken mochte.
»Wir können Euch gar nicht genug danken, Magnus«, sagte Norwid gerade. »Ohne Euch wüssten wir nicht, wohin.«
Magnus schüttelte abwehrend den Kopf. Sein dickes weißes Haar wogte um das dürre Gesicht.
»Das ist nicht wahr. Schließlich seid Ihr im Haus von Vitus Alardus untergekommen. Damit habe ich nichts zu tun.«
»Aber Ihr habt uns Geld gegeben für den Anfang, damit wir den Medicus für Bille bezahlen können.«
»Die Münzen hätten dem Schreiber Reinhardt zugestanden, wenn die Abschrift, die ich in Heilwigs Sinne verfasst habe, mit den Boten nach Parma gereist wäre.«
»Hört endlich auf, von diesen Abschriften zu sprechen. Mir ist noch immer nicht klar, wie viele es gegeben hat«, sagte Kaspar stöhnend und raufte sich in gespielter Verzweiflung die Haare. Esther hatte den Verdacht, dass er tatsächlich noch immer nicht vollständig verstand, was sich eigentlich abgespielt hatte. Kein Wunder. Sie schmunzelte.
»Darauf kommt es, unserem
Weitere Kostenlose Bücher