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Die unsichtbare Handschrift

Die unsichtbare Handschrift

Titel: Die unsichtbare Handschrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Johannson
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und nur darauf gewartet, sie auf der Gasse zu erblicken.
    »Esther, Gott sei es gedankt, da bist du!« Er sprang die Stufen vor seinem Eingang mit einem Satz hinab, packte sie um die Taille und hob sie hoch in die Luft. »Was hat er gewollt? Ist alles in Ordnung?« Seine Wangen leuchteten vor Aufregung. Im Gegensatz zu ihr hatte er schon Zeit gehabt, sich zu waschen und saubere Kleider anzuziehen.
    »Es ist alles bestens, Vitus, du ahnst nicht, wie sehr alles in Ordnung ist.« Sie strahlte ihn aus vollem Herzen an. »Ich erzähle dir gleich jede Einzelheit«, versprach sie. »Aber zunächst lass mich dir diese Frau vorstellen.« Sie löste sich sacht von Vitus und sah zu Mechthild hinüber, die mit gesenktem Kopf schweigend auf einem Fuß stand. Sie hielt sich erstaunlich gerade, wenn man bei diesem gekrümmten kleinen Körper überhaupt von einer geraden Haltung sprechen konnte. Jedenfalls gelang es ihr recht gut, nicht das Gleichgewicht zu verlieren.
    »Wer ist das?«
    »Das ist Mechthild, die Amme der Gräfin Heilwig.«
    »Was tut sie hier? Ich wusste nicht, dass du sie kennst.«
    Esther erzählte ihm leise von ihrer ersten Begegnung mit der Alten und davon, dass diese von ihren Schreibkünsten gewusst hatte. Dann gab sie alles wieder, was sie in der Unterhaltung mit Magnus über sie erfahren, und zum guten Schluss, was sich soeben auf der Sandstraße zugetragen hatte.
    »Am besten, wir machen uns sofort auf den Weg zur Marienkirche. Mir scheint, das Hutzelweib sollte nicht mehr allzu lange auf den Beinen sein. Willst du etwas trinken, bevor wir gehen?«, rief er ihr zu.
    »Sie spricht nicht mit dir. Mit niemandem«, erklärte Esther. »Sie hört und versteht dich wohl, doch ist ihr kaum eine Reaktion zu entlocken. Wenn sie bei Heilwig ist, mag das anders sein.«
    »Soll ich ihr einen Becher Wasser bringen? Was meinst du?«
    Esther schüttelte den Kopf. »Sie lässt sich kaum anfassen. Nein, ich denke, wir sollten sie so rasch wie möglich zur Gräfin bringen.«
     
    Wenig später waren sie unterwegs.
    »Wo sind die anderen?« Esther sah ihn erwartungsvoll an.
    »Magnus werden wir wohl im Hause des Bischofs antreffen. Norwid und Kaspar sind in das Skriptorium gegangen. Sie sehen nach, ob Reinhardts sterbliche Überreste noch dort sind. Bille und ihrem Vater habe ich in meinem Haus zwei Lager gerichtet. Der Medicus hat sie beide angesehen, jetzt schlafen sie.«
    »Was sagt der Medicus? Werden sie leben? Vor allem Bille, kann sie es noch schaffen?«
    »Für den Müller sieht es gut aus. Bei Bille ist es noch zu früh für eine Vermutung. Sie hat einiges abbekommen. Ganz gesund wird sie nie, aber wir dürfen die Hoffnung nicht aufgeben.« Er lächelte sie glücklich an. »Aber jetzt erzählst du mir auf der Stelle, was sich in Marolds Kontor abgespielt hat, seit wir es verlassen haben. Ich platze vor Neugier!«
    »Gern will ich dir alles erzählen, allerdings fürchte ich, du glaubst mir kein Wort.«
    »Warum?« Er legte die Stirn in Falten. Esther blieb stehen.
    »Weil der Domherr höchstpersönlich die Abschrift nach Parma bringt«, flüsterte sie ihm ins Ohr. »Und zwar meine Abschrift!«
    »Das kann nicht sein.«
    Sie gingen weiter, Mechthild hinkte einen halben Schritt vor ihnen.
    »Siehst du, du glaubst mir nicht. Dabei kommt es noch viel besser. Er ließ mich einige Zeilen abkratzen und eine kleine Veränderung vornehmen.« Sie blickte sich um, ob auch niemand sie belauschte. »Wir befreien die Bürger, die nach England fahren, von der belastenden Abgabe, die die Leute von Köln und Tiel gegen sie ausgeheckt haben«, zischte sie.
    »Wie bitte? Esther, das wäre ja … wunderbar!«
    »Es ist wunderbar, Vitus. Den Rest erzähle ich dir später, wenn wir unter uns sind.«
     
    Sie saßen in Vitus’ Stube beieinander, beinahe wie am Abend zuvor. Eine kleine Gemeinschaft, die das Schicksal zusammengeführt hatte – Vitus und Esther, Kaspar, Magnus und Norwid. Der alte Müller und Bille schliefen eine Etage über ihnen. Im Kamin flackerte ein Feuer, auch die Öllampen waren entzündet, so dass es recht hell war und Schatten fröhlich über die Wände tanzten. Krüge mit Bier von Malwines Vater standen auf dem Tisch. Esther musste zum wiederholten Male erzählen, wie sie die Zeilen vom Pergament gekratzt und dieses dann neu beschrieben hatte.
    »Denkt euch nur, meine Schwester hat die Abschrift angefertigt, die für unsere Stadt so bedeutend ist und die der Kaiser als Vorlage für unsere neuen Privilegien

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