Die unsichtbare Handschrift
Herrn sei Dank, auch nicht mehr an. Denn die Fassung, die Marold höchstpersönlich zum Kaiser bringen wird, hilft uns allen.« Magnus wirkte ausgesprochen zufrieden, aber auch rechtschaffen müde. »Jedenfalls ist es nicht Reinhardts Verdienst, wenn der Kaiser der Stadt Lübeck die Reichsfreiheit bekunden wird. Und der arme Tropf, Gott sei seiner Seele gnädig, ist nicht mehr. Die Münzen waren also gewissermaßen herrenlos.«
»Es hätte tausend Möglichkeiten gegeben, sie zu verwenden«, wandte Norwid ein.
»Da seht Ihr einmal, wie einfallslos ich bin.« Magnus grinste. »Mir kam nur diese eine in den Sinn.«
»Und die Gräfin will wirklich eine neue Mühle bauen lassen?« Esther konnte nicht glauben, dass die Nächstenliebe dieser Frau so weit ging.
»Ja, es ist wie ein Wunder. Aber das ist es, was sie uns sagte. Sie wird dafür Sorge tragen, dass an derselben Stelle wieder eine Mühle steht. Und sie wird sich ebenfalls darum kümmern, dass mein Vater und ich sie betreiben dürfen.« Norwid nahm einen kräftigen Schluck Bier. »Der Herr möge ihr dafür einen Platz im Himmel sichern und ihr diesen Teufel vom Hals halten, der sich ihr Ehemann nennt.«
Zustimmendes Nicken.
»Heilwig stammt aus einem wohlhabenden Haus, und dennoch wird es natürlich das Vermögen ihres Mannes sein, von dem sie die Mühle errichten lässt. Glaubt mir, sie ist für diese glückliche Gelegenheit ebenso dankbar wie ihr.«
»Sie ist dankbar, eine gewaltige Summe für Fremde ausgeben zu dürfen?« Kaspar staunte nicht schlecht.
»Aber gewiss. Nichts liegt ihr mehr am Herzen, als etwas für ihr Seelenheil und das ihres Gatten zu tun. Gerade er hat unendlich viel auf dem Kerbholz, was er besser mit Wohltaten ausgleicht, wenn er nicht in der tiefsten Hölle schmoren will«, erklärte Magnus.
»Glaubt Ihr tatsächlich, da ließe sich noch etwas ausgleichen?« Norwid war noch immer voller Hass, wenn er an den Schauenburger dachte. Esther konnte ihn nur zu gut verstehen.
»Was wird aus Mechthild werden?«, fragte sie nach einer Weile des Schweigens.
»Heilwig von der Lippe ist eine durch und durch gutherzige Person. Auch für Mechthild wird sie sorgen. Sie wird gottesfürchtigen Leuten für jedes Jahr, das ihrer Amme noch bleibt, ein paar Münzen geben, damit sie sie bei sich aufnehmen und gut behandeln. Ganz gewiss wird sie einen Platz für sie finden, der nicht weit von der Burg entfernt liegt, damit die Frauen sich so oft wie möglich sehen können.«
»Und dieser Felding?« Kaspar blickte in die Runde. »Was wird aus dem? Immerhin hat er Reinhardt auf dem Gewissen. Einige von euch können das bezeugen. Wird man ihm dafür die Rübe abschlagen, wie er es verdient?«
Vitus wiegte bedächtig den Kopf. »Das glaube ich kaum. Wie er sich bei Marold gebärdet hat, wird man ihn wohl wie einen Irren behandeln. Kann sein, dass er für den Rest seines Lebens in einer Holzkiste eingesperrt bleiben wird. Das ist schlimmer als die Hinrichtung, wenn ihr meine Meinung hören wollt.«
Esther nickte. Auf dem Marktplatz von Lübeck auf das Schafott steigen zu müssen war wahrhaftig eine grausame Vorstellung, doch Jahr um Jahr in einer Holzkiste eingezwängt zu sein? Das erschien ihr nicht minder fürchterlich. Noch immer glaubte sie, dass Felding ein einsamer Mensch war. Das machte sein schändliches Vorgehen nicht besser, doch empfand sie auch noch immer ein wenig Mitleid mit ihm.
»Armer Tropf«, sagte Magnus da. Sein Lächeln zeigte nur allzu deutlich, dass Felding ihm keineswegs leidtat. »Sein Pech, dass er ausgerechnet in Lübeck Handel treiben musste. In Damaskus, so hörte ich, versteht man es besser, Kranke behutsam zu heilen.«
Zum dritten Mal teilte Esther das Lager mit Vitus. Es erschien ihr dieses Mal ganz natürlich. Sie schmiegte sich eng an ihn und seufzte tief.
»Es ist überstanden«, flüsterte sie. »Ich kann es noch nicht glauben, aber es ist wahrhaft überstanden.«
Er hielt sie im Arm, seine Hand spielte mit ihrem Haar.
»Nicht mehr lange, dann wird der Kaiser dieser Stadt und den Lübecker Englandfahrern die Freiheit schenken. Wenn wir von der geißelnden Abgabe befreit sind, werden die Geschäfte rasch wieder bessergehen. Und dann werde ich mich darum kümmern, auch mit Gotland Handel zu treiben. Das ist die Zukunft.«
»Du bist ein guter Kaufmann, Vitus, das warst du immer. Ich habe keinen Zweifel, dass du bald wieder viel besser dastehen wirst als in den letzten Monaten.«
»Wer weiß, Esther, womöglich
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