Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die unsichtbare Handschrift

Die unsichtbare Handschrift

Titel: Die unsichtbare Handschrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Johannson
Vom Netzwerk:
durfte auch eine Strähne ihres Haars in die Hand nehmen.«
    »Das hat sie dir erlaubt?« Sie war ehrlich überrascht. Die Frau, die ihren Bruder einmal zum Mann bekam, konnte sich glücklich schätzen, denn er war ehrlich und herzensgut. Nur machte er es den Damen nicht eben leicht, seine guten Eigenschaften zu entdecken.
    »Sie hat es nicht nur erlaubt, sie wollte es so.« Er nickte eifrig. »Sie hat sogar meine Hand genommen.«
    »Das freut mich, Kaspar, das freut mich wirklich von Herzen. Du scheinst ihr überaus erfolgreich den Hof gemacht zu haben.« Sie lächelte. Das war mal ein erfreulicher Gedanke an diesem wunderlichen Tag. Damit wollte sie zu Bett gehen.
    Sie erhob sich. »Ich bin müde, Kaspar, ich gehe schlafen.«
    »Was ist nur los mit dir in der letzten Zeit? Ich stand von früh bis spät über meine Arbeit gebeugt, bis mir alle Knochen schmerzten. Ich hätte mehr als einen Grund, müde zu sein, aber schau mich an.«
    »Gute Nacht, Kaspar.«
    Als sie die Stube verließ, hörte sie ihn sagen: »Du dagegen hast nur ein wenig Tinte gekocht und es dir den lieben langen Tag gut ergehen lassen. Wie viel schwächer Frauen doch sind als wir Männer!«
     
    Am nächsten Morgen wurde Kaspar schon früh auf der Baustelle gebraucht. Also blieb Esther nichts anderes übrig, als an seiner Stelle in das Skriptorium zu gehen. Der Kaufmann, den der Himmel ihr geschickt hatte, wollte heute wiederkommen, um die Einzelheiten des Auftrags zu besprechen. So hatte er es angekündigt, bevor er sich am Vortag formvollendet von ihr verabschiedet hatte. Sie war heilfroh, dass auch Reinhardt offenkundig bereits am Rathaus zu tun hatte. Otto ließ sich ebenfalls nicht blicken. Es ging ihm noch nicht besser, vermutete sie. Sie würde wieder allein mit dem Mann sprechen. Ihr war es recht. Von diesem Auftrag musste keiner etwas erfahren, und sie konnte sicherstellen, dass Kaspar in den Genuss kam, ihn zu erledigen. Nicht auszudenken, wenn der Fremde Otto oder Reinhardt mit der Aufgabe betrauen würde. Dann wäre ihr Plan am Ende doch hinfällig.
    Als es klopfte, fuhr ein Kribbeln durch ihren Körper. Sie war schrecklich aufgeregt. Wenn nur niemand ihre Unterredung stören oder der Mann es sich noch anders überlegen würde.
    »Nur herein!«, rief sie.
    »Seid gegrüßt, schöne Esther!«
    »Seid gegrüßt, werter Kaufmann«, erwiderte sie.
    Er stutzte. »Habe ich mich Euch etwa noch nicht vorgestellt? Wie unhöflich von mir.«
    »Aber das macht doch nichts.«
    »Es macht nichts? Ihr müsst ja meinen, ich hätte keine Manieren. Nein, es ist unverzeihlich. Wie kann ich das nur wiedergutmachen?«
    Sie lächelte ihn freundlich an. »Indem Ihr mir nun Euren Namen verratet?«
    »Felding, mein Name ist Josef Felding.« Er verneigte sich.
    »Ich bin sehr erfreut!«
    »Wie nett.« Er war ein geringes Stück kleiner als sie und blinzelte sie fröhlich an. »Ich denke noch immer darüber nach, womit ich meinen Fehler, mich Euch nicht gleich am ersten Tage mit Namen vorgestellt zu haben, wiedergutmachen kann.«
    »Das habt Ihr bereits, indem Ihr dies nachgeholt habt.«
    »Nein, das ist nicht genug, bei weitem nicht«, widersprach er. »Womit könnte ich die Gunst einer so bezaubernden Dame gewinnen?«, fragte er, als wäre sie gar nicht anwesend. »Vielleicht würde Euch ein seidenes Halstuch erfreuen? Sagt ja, und ich werde Euch eines bringen.«
    Esther besaß natürlich kein Halstuch aus Seide. Sie besaß überhaupt kein Tuch für den Hals, nur einen wollenen Schal und ein Schultertuch, das ebenfalls aus Wolle war. Ihre Kleider waren dazu geeignet, sie zu wärmen, nicht, sie zu schmücken. Gern hätte sie etwas zur reinen Zierde besessen, etwas, das Vitus dazu brachte, sie so zu berühren, wie er es schon manches Mal verstohlen getan hatte. Doch was sollte er wohl von ihr denken, wenn sie sich so etwas von einem anderen Mann schenken ließ? Überhaupt war es vollkommen ausgeschlossen, ein Geschenk von einem Fremden anzunehmen.
    »Ihr wisst, dass es sich für mich nicht ziemt, in diesem Fall ja zu sagen.«
    »In welchem Fall fiele es Euch denn leichter?«
    Er war geschickt in der Kunst der Rede. Und er hatte Charme. Wenn er auch kein schöner Mann war, so hatte er doch Qualitäten, die einer Frau schon gefallen konnten.
    »Ihr seid doch nicht gekommen, um mit mir zu reden.«
    »Wie könnt Ihr das wissen?«
    »Ihr sagtet gestern, Ihr würdet heute zurückkehren, um Einzelheiten des Auftrags zu besprechen, den Ihr zu vergeben habt. Also wolltet

Weitere Kostenlose Bücher