Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die unsichtbare Handschrift

Die unsichtbare Handschrift

Titel: Die unsichtbare Handschrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Johannson
Vom Netzwerk:
nicht ausgehalten habe vor Gestank. Was hast du denn nur angestellt? Noch habe ich Tinte. Du treibst doch nicht hinter meinem Rücken Handel damit?« Er saugte die Oberlippe ein und ließ sie nicht aus den Augen.
    »Unfug! So arg war es gar nicht. Ich habe nur ein paar neue Rezepturen probiert, wie ich es manches Mal tue. Nichts weiter.«
    »Dann hat der Otto wohl aufgeschnitten. Kann sein, dass er bloß eine Ausrede gesucht hat, warum er nicht geblieben ist. Habe ihn schon lange nicht mehr schreiben sehen.« Er entließ seine Oberlippe wieder in die Freiheit. Sie glänzte feucht vom Speichel.
    »Nicht mehr lange, dann wird er überhaupt nicht mehr in das Skriptorium kommen«, meinte sie. »Du wirst dir etwas überlegen müssen. Zusammen mit Reinhardt kannst du den Obolus für das Häuschen vielleicht noch aufbringen, aber auch er wird nicht ewig schreiben können. Was dann?«
    Er legte die sommersprossige Stirn in Falten. »Was du dir nur immer für Gedanken machst! Noch sind beide da und bezahlen hübsch ihren Anteil.«
    Sie wollte etwas erwidern, ließ es aber gut sein. Es erschien ihr einfach zu anstrengend, mit ihm zu debattieren. Ihr Kopf fühlte sich leer an. Sie würde besser schlafen gehen.
    »Ich hab’s!«, verkündete Kaspar da. »Denk dir, ich habe neulich von einer Tinte gehört, die kostbarer und schöner nicht sein kann. Wie konnte ich das nur vergessen? Ich wollte dich schon längst bitten, mir solche Tinte zu machen. Damit werde ich gefragter sein denn je, und wir können es uns leisten, die Stube allein zu halten.« Er strahlte sie an. Kaspars Welt war beneidenswert einfach.
    »Und was braucht man für diese Wundertinte?«, fragte sie matt.
    »Nur Quecksilber und Rauschgelb.«
    »Von diesem Rezept habe ich noch nie gehört.«
    »Siehst du? Und so geht es jedem. Ich werde der einzige Schreiber in Lübeck sein, der diese Tinte besitzt. Sie wird aussehen wie pures Gold!« Er lehnte sich zurück und schlug die Beine übereinander. Stolz, wie er war, konnte man meinen, er besäße jetzt schon ein Fläschchen dieser geheimnisvollen Mischung. Esther ahnte, dass irgendjemand den einfältigen Schreiber Kaspar gründlich an der Nase herumgeführt hatte.
    »Was stelle ich nun mit diesen beiden Zutaten an?«, wollte sie von ihm wissen.
    »Das ist lustig, weißt du? Du nimmst das Ei einer Henne, bläst es aus und gibst Pigment und Quecksilber hinein. Dann legst du ihr das Ei wieder ins Nest und lässt sie es ausbrüten. Sie wird mächtig staunen, was für ein goldiges Küken sie da zustande gebracht hat.« Er lachte über seinen Spaß. Esther sah ihn verständnislos an, ohne eine Miene zu verziehen. »Das war ulkig«, erklärte er etwas enttäuscht. »Du hast es nicht begriffen, nicht wahr? Sei’s drum, jedenfalls schnappst du dir das Ei nach einer geraumen Zeit und zerreibst den Inhalt der Schale mit wenigen Tropfen Wasser.«
    Noch immer starrte sie ihn an.
    »Das ist alles. Fertig ist die Tinte!«
    »Und woher willst du diese ungewöhnlichen Zutaten bekommen?« Sie hoffte, dass er mit dieser Frage eine gute Weile beschäftigt sein würde. Dann brauchte sie ihm nicht begreiflich zu machen, dass an diesem merkwürdigen Rezept nichts stimmte und dass sie keinesfalls daran dachte, sich für dumm verkaufen zu lassen.
    »Quecksilber bekommst du gewiss beim Spiegelmacher«, verkündete er siegessicher. »Und das andere wirst du auch schon irgendwo auftreiben.«
    Esther war es leid, sich diesen Unfug länger anzuhören. Sie würde ihn auf andere Gedanken bringen.
    »Du hast mir noch gar nicht von deiner Begegnung mit der Wirtstochter erzählt. Sooft ich dich auch gefragt habe, hast du mir doch nichts verraten. Was hat das zu bedeuten, mein liebster Bruder?« Sie setzte eine leicht pikierte Miene auf.
    »Du hast mich gefragt?« Er wollte ihr doch wahrhaftig vorgaukeln, sich daran nicht erinnern zu können. Aber seine Wangen leuchteten verräterisch.
    »Nun los, sag schon, hast du ihr den Hof gemacht?«
    Ein Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus. »Ich glaube, das habe ich.«
    »Du glaubst? Ein Mann weiß doch, ob er einer Frau den Hof macht oder nicht. Oder hattest du zu viel von dem starken Bier getrunken? Als du mich von Vitus abgeholt hast, konntest du ja kaum noch gerade gehen.«
    »Du übertreibst. So arg war es nun wirklich nicht.« Nach einer Pause, Esther meinte schon, er sei eingeschnappt und würde wieder nichts preisgeben, sagte er plötzlich: »Sie wollte mein Haar anfassen. Und denk dir, ich

Weitere Kostenlose Bücher