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Die unsichtbare Handschrift

Die unsichtbare Handschrift

Titel: Die unsichtbare Handschrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Johannson
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Sosehr ich dies bedaure, bleibt mir nichts anderes übrig, als Graf Adolf IV . von Schauenburg und Holstein über Kaspars schändliche Absicht in Kenntnis zu setzen.«
    Esther sprang auf. Wäre er nur ein kleines Stück größer gewesen, hätten sich ihre Nasenspitzen berührt. Sie machte einen Schritt zur Seite, um seiner körperlichen Nähe zu entkommen.
    »Was hat der Graf damit zu tun?«, fragte sie atemlos.
    »Seht Ihr, das ist das Erfreuliche daran, wenn der Herrgott einen mit einem wachen Geist ausgestattet hat. Man ist nicht darauf beschränkt, nur in eine Richtung denken zu können. Meint Ihr nicht, dass der Schauenburger mir dankbar sein wird, wenn ich die Pläne der Lübecker an ihn verrate?«
    Wollte er darauf wahrhaftig eine Antwort von ihr haben?
    »Nun, was meint Ihr dazu? Nun kommt schon, für gar so dämlich habe ich Euch nicht gehalten. Enttäuscht mich nicht!«
    »Natürlich wäre er Euch dankbar«, murmelte sie.
    »Sehr gut!«, rief er aus.
    »Aber dann liefert Ihr Marold oder gleich den ganzen Stadtrat ans Messer, dabei wolltet Ihr Marold doch zu Diensten sein.«
    »Nicht schlecht für ein Frauenzimmer«, gab er begeistert zurück. »Jetzt passt auf! Ich berichte dem Graf, dass der Schreiber Kaspar dieses ungeheuerliche Vorhaben ersonnen hat, dem Kaiser eine Fälschung zu schicken«, erklärte er mit kräftiger Stimme.
    »Ich bitte Euch, sprecht doch nicht so laut!« Sie hastete zum Fenster. Gerade rannte ein Bengel mit schmutzigem Gesicht die Gasse entlang. Eine dicke Frau war hinter ihm her. Es lag auf der Hand, dass da jemand lange Finger gemacht hatte. Die Dicke, keuchend und immer langsamer werdend, hatte keine Chance, den Dieb zu stellen, der Haken schlug wie ein Hase. Esther fühlte sich selbst wie eine Gejagte, nur leider eine mit Eisenkugeln an den Füßen. Sie schloss die Läden.
    »Der Graf hält Euren Bruder auf, während die Lübecker in Ruhe ihr Schreiben mit den Boten nach Parma schicken können. Genial, was meint Ihr?« Sie konnte trotz der Dunkelheit, die die Schreibstube jetzt erfüllte, größte Zufriedenheit in seinem Gesicht lesen.
    »Es ist ja nicht wahr«, flüsterte sie.
    »Bitte?«
    Sie schluckte schwer. Sie musste daran denken, was Norwid berichtet hatte. Was würde der Graf mit ihrem Bruder anstellen? Würde er ihn töten? Selbst wenn er ihn am Leben ließe, schien das nicht viel besser zu sein. Sie musste Kaspar aus der Sache heraushalten. Ganz gleich, welchen Preis sie dafür zu zahlen hatte.
    »Mein Bruder hat nichts damit zu schaffen. Er weiß nicht einmal von meinem Einfall.«
    Er legte den Kopf schief. »Ihr wollt mir weismachen, Ihr hättet allein einen so raffinierten Plan erdacht? Schon das erscheint mir, nun, sagen wir, nicht eben glaubhaft. Wahrscheinlich ist es doch eher so, dass Euer Bruder Euch darauf brachte, damit er Euch nicht mehr länger ernähren muss. Ist es nicht so?«
    »Nein!«
    »Wer war es dann? Bitte sagt mir nicht, der Mann, dem Euer Herz gehört, hat Euch dazu angestiftet. Dann hat er Euch nicht verdient.«
    »Nein, so glaubt mir doch, niemand hat mich angestiftet. Niemand weiß davon.« Am liebsten wäre sie aus dem Skriptorium gestürmt, hinaus auf die Gasse, wäre zur Trave gerannt und hätte sich sehnlichst gewünscht, das alles sei nur ein böser Traum. Hatte sie vorhin noch gehofft, niemand würde die Unterredung stören, wäre sie jetzt dankbar für jede Menschenseele, die dies hier beenden würde. Nur würde ihr das nicht helfen. Dieser Felding ließ sie nicht mehr aus seinen Klauen. Sie war verloren.
    »Macht Euch doch nicht lächerlich!«, fuhr er sie an und schnaubte ungeduldig. »Wie hättet Ihr denn den Schwindel durchführen wollen, wenn Euch keiner dabei hilft, der des Schreibens kundig ist?«
    Ihre Gedanken rasten, drehten sich im Kreis. Sie ging einen Schritt in die eine Richtung, dann gleich wieder einen in die andere. Sosehr sie auch nach einem Ausweg suchte, ihr blieb nichts anderes übrig, wenn sie sowohl Kaspar als auch Vitus schützen wollte.
    »Ich selbst kann schreiben«, sagte sie.
    Er sah sie wie vom Blitz getroffen an. Damit hatte er nicht gerechnet. Mit einem Mal platzte er los vor Lachen. Es hörte sich an, als hätte sich ein Huhn in die Schreibstube verirrt, das gackernd den Ausgang suchte.
    »Das ist gut«, brachte er keuchend hervor, ehe er sich aufs Neue ausschüttete. »Ihr habt Humor. Und das in dieser für Euch wenig vergnüglichen Stunde. Eine Frau, die schreiben kann! Keine Adlige, noch weiter davon

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