Die unsichtbare Pyramide
fallen. Er musste zwar damit rechnen, während der nächsten großen Welle, wenn die drei Welten sich ganz nahe kamen, wieder wie ein blauer Stern aufzuglühen, aber bis dahin waren es noch etwa zwei Wochen. Er räusperte sich.
»Featherbeard?«
»Ja, Junge?«
»Warum ist das Schwarze Heer nicht nach Norden gezogen, wo es immer noch ein paar unabhängige Kriegslords gibt? Hier im Osten ist doch nichts los.«
Der bärtige Recke hob seine massigen Schultern. »Was weiß ich! Molog sucht hier irgendetwas. Er weiht so gut wie niemanden in seine Pläne ein.«
»Mit Ausnahme Cord von Lizards, meint Ihr?«
»Hm, hm. Und dem jungen Wulfweardsweorth.«
»Ist das auch ein Truppenführer?«
»Wulf? Ha! Nein. Molog hat ihn an Sohnes statt angenommen. Leider ist der Bengel verzogen und nimmt sich uns einfachen Soldaten gegenüber ziemlich viel heraus. Oder hat schon manchem Neuen den Garaus gemacht. Am besten, du gehst ihm aus dem Weg. Wulf ist gefährlich. Er kämpft fast so gut wie Cord.«
Trevir nickte. »Werd ich mir merken. Danke, Featherbeard.«
»Nichts für ungut, Junge.«
Bevor das letzte Licht des Tages verblich, begann das Nachtmahl. Featherbeard hatte am Nachmittag erzählt, dass die Krieger gewöhnlich selbst für ihre Verpflegung sorgten. Seit Molog sich jedoch auf dieser geheimnisvollen Suche befand, achte er streng darauf, das Lager zusammenzuhalten. Auf dem Weg nach Osten habe er zu diesem Zweck Vorräte in großen Mengen beschlagnahmt, außerdem ganze Viehherden, welche nun am Rande des Lagers grasten. Auf dem Speisezettel stand zudem regelmäßig Wild, das von kleinen Jagdtrupps in der Nähe erbeutet wurde. Die Tagesrationen wurden an unzähligen Feuern zubereitet, die zwischen den Zelten brannten. An diesem Abend gab es Hammel.
Trevir spießte mit mehreren hungrigen Männern gleichzeitig seinen Dolch in den dampfenden Topf. Ganz offensichtlich war in dieser rauen Gesellschaft ein beherztes Zustechen vonnöten, um nicht zu verhungern. Ein Mann schrie auf, als ihm eine Messerspitze die Hand verletzte. Mit einem eher kleinen Beutestück verzog sich Trevir an den Rand der kauenden Meute. Wachsam blickte er sich nach Neidern um. Plötzlich hörte er ein sirrendes Geräusch, spürte einen Ruck in der Hand und blickte verblüfft auf seine leere Messerspitze.
Brüllendes Gelächter brach aus. So viel Dreistigkeit im Kampf um einen einzigen Happen hätte Trevir seinen neuen Kameraden nun doch nicht zugetraut. Verärgert suchte er zuerst den Pfeil, der ihm das Hammelfleisch entführt hatte – er lag nahebei im Dreck –, dann den Schützen. Ebender kam soeben grinsend auf den hungrigen Rekruten zu.
Es handelte sich um einen jungen Krieger in Trevirs Alter, dessen ganze Haltung von Überheblichkeit und Selbstzufriedenheit zeugte. Sein muskulöser Oberkörper schimmerte unter einem dünnen, naturfarbenen Hemd hervor, wie es die Soldaten unter ihren mit Metallplatten besetzten Wämsern zu tragen pflegten. Das hauchfeine Kleidungsstück war, wie auch die dunkle Hose, weniger schmutzig als bei den Kämpfern allgemein üblich. Zudem hatte der gewöhnliche Krieger bisweilen nur Lumpen an den Füßen, dieser hier jedoch weiche, halbhohe Lederstiefel. Sein Haar war feuerrot und die Augen grün. Von der Statur her erreichte er nicht ganz Trevirs Größe, war ihm an Kraft aber offenbar deutlich überlegen.
Der um sein Fleisch Beraubte achtete kaum auf solche Äußerlichkeiten, sondern sprang wütend auf die Beine. »Gib Acht!«, hörte er Featherbeard zischen, aber bevor der Bärtige seine Warnung präzisieren konnte, ergriff schon der Bogenschütze das Wort.
»Du musst der Neue sein.«
»Wie hast du das erraten?«, knurrte Trevir.
»Ich kenne jeden der dreitausendzweihundertvierundfünfzig Männer in diesem Heer mit Namen. Habe ich Recht, Featherbeard?« Der junge Schütze blickte mit leicht geneigtem Kopf in Richtung des Bärtigen.
»Ihr seid blitzgescheit, Herr«, räumte der ein.
Der Schütze grinste nun wieder den Rekruten an, dem nichts Besseres einfiel, als Featherbeards Einschätzung infrage zu stellen.
»Ich halte Euch für ziemlich dumm.«
Das Grinsen im Gesicht des Schützen erstarrte. »Was…?«
»Ihr beschmutzt die Würde Eurer Kameraden und ihr Essen gleich dazu. Wenn sie Euch hassen und dazu auch nichts zu beißen haben, werdet Ihr Euch im nächsten Kampf nicht auf sie verlassen können. Das nenne ich dumm.«
»Weißt du überhaupt, mit wem du dich da anlegst,
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