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Die unsichtbare Pyramide

Titel: Die unsichtbare Pyramide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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ungleich anstrengender als das Spähen mit den Augen oder das Lauschen mit den Ohren, weshalb er nur in größeren Abständen seinen Spürsinn voraussandte. Diesem Umstand verdankte er eine unangenehme Überraschung.
    Kurz zuvor hatte er von einem Hügel aus einen Wald entdeckt, der sich wie ein dunkler Fladen in ein lang gezogenes Tal schmiegte. Die umliegenden grünen Hügelkuppen waren baumlos, es konnte sich also noch nicht um den riesigen Kentish Weald handeln. Etwa zwei Stunden später wanderte der Hüter unter hohen Tannen über einen schmalen, gewundenen Waldpfad, vermutlich ein Wildwechsel, als er unvermittelt das dumpfe Trappeln von Pferdehufen vernahm. Ehe er sich in die Büsche schlagen konnte, sah er schon zwei Reiter herangaloppieren. Sie trugen die für Mologs Krieger typischen Helme und schwarzen Panzerungen. Einer der beiden Männer deutete in Richtung des Wanderers und schrie: »Da!«
    Mit einem weiten Satz sprang Trevir ins Gesträuch und begann so schnell zu laufen, wie es ihm das unwegsame Gelände erlaubte. Hinter sich hörte er dumpfes Donnern und lautes Knacken, je nachdem, ob die Pferdehufe gerade Farne oder trockene Äste niedertrampelten. Er jagte wie ein Kaninchen im Zickzacklauf durch den Wald. Hier gab es keine Mauern, über die er sich schwingen, keine Flüsse, in die er springen und sich von der Strömung davontragen lassen konnte, nicht einmal ein ordentliches Dickicht. Er drehte sich im Laufen um. Obwohl auch die Reiter auf die Tücken des Unterholzes Acht geben mussten, kamen sie doch rasch näher. Als er wieder nach vorne sah, bemerkte er zu seinem Schrecken einen umgestürzten Baum, der halb aus den Büschen und Farnen herausschaute. Trevir setzte zum Sprung an – und blieb mit dem linken Fuß an einem Ast hängen.
    Der Flug über dem Waldboden kam ihm erstaunlich lang vor, die Landung dagegen unerwartet hart. Beim Aufprall war ihm sein hölzerner Begleiter entglitten. Während Trevir noch nach Luft rang, versetzte er Aluuins Stab zurück in seine Hand. Stöhnend kämpfte er sich wieder auf die Beine. Doch ehe er wieder laufen konnte, hörte er eine amüsiert klingende Stimme.
    »Ei, wen haben wir denn da?«
    Trevir drehte sich um und sah auf dem Rücken ihrer Pferde zwei gut gelaunte Krieger. Dem heiteren Wortführer ragten lange blonde Zotteln unter dem Helm hervor. Er hatte einen erschreckend hohen Wuchs, beeindruckend breite Schultern und lange Stoppeln im Gesicht. Seine blauen Augen glänzten fiebrig.
    »Könnte ein Waldschrat sein«, meinte der andere, ein grobschlächtiger Kerl von gedrungenem Wuchs mit einem lückenhaften, stetig mahlenden Gebiss, in dem die Reste von etwas Schwarzem klebten. Im gedämpften Licht des Waldes wirkten seine Augen, der Vollbart und das schulterlange Haupthaar dunkel wie die Nacht.
    »Geister sind gegen Stahl gefeit, Featherbeard. Soll ich es mal ausprobieren?«, schlug der große Blonde vor und zog sein Schwert.
    »Nö, wenn der Herr das spitzkriegt, lässt er uns vierteilen«, brummte der andere. Er schien von den beiden der ältere und besonnenere zu sein. Trevir schätzte ihn auf fünfunddreißig, höchstens vierzig.
    »Ei, so ein kleines Kerlchen wird ihm nicht auffallen, wenn es fein genug zerhackt ist.«
    »Lass das lieber bleiben, Deonorth, sonst findest du am Ende dich in Stücken wieder. Du weißt so gut wie ich, dass Molog jeden hinrichten lässt, der sich seinem Befehl widersetzt.«
    »Aber…«
    »Entschuldigt, meine Herren«, unterbrach Trevir den Meinungsaustausch. Die beiden schienen ihm nicht sonderlich hell zu sein und so hatte er beschlossen, dass Angriff die beste Verteidigung wäre. Die zwei Streithammel wandten sich ihm erstaunt zu. Er lächelte gewinnend. »Ich dachte schon, ich würde das Schwarze Heer niemals finden und jetzt lauft ihr mir mitten in die Arme.« Er breitete dieselben aus.
    Featherbeard – der Dunkle – schnaubte. »Von wegen! Du hast das Hasenpanier ergriffen.«
    Deonorth – der Blonde – nickte bestätigend.
    »Ich konnte ja nicht ahnen, dass Ihr zu den Guten gehört«, gab Trevir zu bedenken.
    »Da ist was Wahres dran«, sagte Featherbeard, das Schwarzhaupt.
    »Seht Ihr! Aber jetzt weiß ich, dass ich meinen zukünftigen Kameraden begegnet bin. Es wäre nett, wenn Ihr mich zu Eurem Herrn bringen könntet.«
    Featherbeard neigte sich zur Seite und brummte. »Das klingt vernünftig. Was meinst du, Deonorth?«
     
     
    Das Schwarze Heer lagerte jenseits des Hügelkamms, den Trevir am Vormittag

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