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Die unsichtbare Pyramide

Titel: Die unsichtbare Pyramide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Trevir?«
    »Vielleicht nicht mit wem, aber wenigstens mit was für einem.«
    So viel Unerschrockenheit war dem Schützen fremd. Er ließ seinen Bogen zu Boden gleiten und sagte drohend: »Scheinbar hat dir noch niemand gesagt, was es bedeutet, Wulf herauszufordern. Der Name bedeutet übrigens Wolf.« Der Schütze fletschte wie ein solcher die Zähne, zog einen Dolch aus der Scheide an seinem Gürtel und fügte knurrend hinzu: »Lass mich dir eine kleine Lektion erteilen.«
    Trevir blieb fast das Herz stehen. Durch seinen Geist purzelten Erinnerungen, die allesamt nichts Gutes verhießen, und da war Featherbeards eindringliche Warnungen vor dem gefährlichen Ziehsohn des Kriegslords. Warum fiel ihm, Trevir, das erst jetzt ein? Er, der im Messerkampf nicht die geringste Erfahrung besaß, hätte sich doch denken können, dass dieser Bursche kein normaler Soldat war.
    Schon schnellte Wulfs Hand vor. Trevir duckte sich zur Seite, konnte dem Angriff aber nicht ganz entkommen. Die Schneide schlitzte seine Tunika an der linken Schulter auf. Erschrocken ließ er sein Messer fallen.
    »Lasst ihn doch in Ruhe, Wulf«, flehte Featherbeard.
    Der Schütze grinste wölfisch. »Er wird gleich mehr Ruhe haben, als ihm lieb ist.« Wieder zuckte sein Dolch heran.
    Diesmal hatte sich Trevir besser gewappnet. Er drehte sich um Wulfs vorgestreckten Arm, packte das Handgelenk und warf sich mit seinem ganzen Gewicht gegen den Angreifer. Die Aktion war auch als Ablenkung gedacht, denn während die beiden um ihr Gleichgewicht kämpften, versetzte er den Dolch des Gegners in die eigene Hand. Er spürte, wie die überraschende Entwaffnung Wulfs Kampfeslust schlagartig lähmte. Heftig stieß Trevir den Kontrahenten von sich, zeigte ihm die Klinge und sagte: »Lasst es gut sein, Wulf. Ich bin zwar hier, um zu kämpfen, aber Ihr seid nicht mein Feind.« Damit schleuderte er den Dolch mit der Schneide voran in den Boden und drehte sich demonstrativ um. Gemessenen Schrittes näherte er sich dem Pfeil, um sich das Fleisch zurückzuholen.
    Der Entwaffnete wollte sich indessen mit dem für ihn wenig ehrenvollen Kampfverlauf noch nicht zufrieden geben. Brüllend rannte er auf Trevir zu und warf sich aus vollem Lauf auf ihn. Letzterer hatte sich nur noch halb umdrehen können, bevor er zu Boden gerissen wurde. Er hörte ein lautes Ratschen und sein linker Ärmel war an der blutigen Schnittstelle komplett abgerissen.
    Obwohl weniger kräftig gebaut als sein Widersacher, war Trevir doch ungemein zäh. Wulf gab sich alle Mühe, den Gegner zu würgen, aber es wollte ihm einfach nicht gelingen. Trevir wand sich mehrmals wie ein Aal aus der Umklammerung des anderen. Und jetzt schaffte er es zur Verblüffung des Publikums sogar, sich rittlings auf Wulfs Rücken zu setzen und ihm die Luft abzuschnüren. Der junge Recke machte eine überraschende Drehung, wieder ratschte es und nun stand er mit freiem Oberkörper in der Arena aus schwarzen Kriegern.
    Verblüfft starrte der Hüter des Gleichgewichts auf die entblößte Brust seines Gegners. Dort prangte, genau über dem Herzen, ein rotes Muttermal – ein vollkommener Zwilling ebenjener »Pyramide«, die auch Trevirs Schulterblatt zierte. Während er noch dastand und staunte, wurden seine Betrachtungen fürs Erste durch einen Faustschlag beendet.
    Als er das Bewusstsein zurückerlangte, lag er unter einer wärmenden Decke in einem Zelt. Eine Öllampe warf ihr unruhiges Licht an die schwarz-grau gestreiften Stoffwände. Vor diese schob sich jetzt ein Gesicht. Trevir erschrak. »Schsch!«, machte das Mädchen und legte ihm ihren Zeigefinger auf die Lippen. Sie war etwa so alt wie Trevir, hatte blondes Haar, wasserblaue Augen, eine Stupsnase und volle rote Lippen, die freundlich lächelten.
    Der soeben Erwachte glaubte noch zu träumen – es war ein wunderschöner Traum. An seiner linken Schulter spürte er den leichten Druck eines Verbands. Hat sie ihn etwa angelegt? Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass sein Oberkörper unbekleidet war. Die Frauen in Styfics Gauklertruppe hatten ihn schon oft so gesehen, etwa wenn er zu einem Fluss ging, um sich zu waschen, aber die gehörten ja auch zur Familie – gewissermaßen. Dieses bezaubernde Mädchen dagegen… Rasch zog er die Decke bis zum Kinn. Er versuchte den Kopf zu heben, überlegte es sich aber sofort anders, weil ein stechender Schmerz durch seinen Schädel raste. »Wer bist du?«, ächzte er.
    »Dwina.«
    »Das ist nicht dein Ernst!«
    »Warum?«
    »Ich hatte ein

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