Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die unsichtbare Pyramide

Titel: Die unsichtbare Pyramide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
Vom Netzwerk:
geradeheraus an. »Ich muss Molog finden und ihn aufhalten.«
     
     
    Der Abschied am nächsten Morgen fiel Trevir nicht leicht. »Ich will meinen Jungen noch einmal an meine Brust drücken«, erklärte Idana, bevor selbiger zu Styfic auf den roten Wagen kletterte. Obwohl sie für Trevir nie wirklich eine Mutter hatte werden können, empfand er starke Gefühle für sie. Er versprach nach Annwn zurückzukehren, wenn er »diese Sache« überlebe.
    Worum es sich dabei handelte, verriet er dem Anführer der Gauklertruppe nicht, obwohl dieser nach Verlassen des Dorfes mehr als einmal danach fragte. Trevir sagte nur: »Kommt mit mir oder nehmt einen anderen Weg, aber ich muss nach Osten.«
    Vorerst hatte sich der Große Styfic fürs Mitkommen entschieden.
    Einige Tage lang schien alles wieder seinen gewohnten Gang zu nehmen. Die Wagenkolonne hielt in einer Stadt oder in einem Dorf, gab ein paar Vorstellungen und zog weiter. Trevirs Kunststücke bescherten den Gauklern Beifall und volle Börsen. Je näher sie dem Südosten Valisias kamen, desto dünner wurde die Besiedelung. Bald fanden sie nur noch ärmliche Gehöfte oder vereinzelte Felder, aber schließlich hörte auch das auf. Der Tross zog tagelang durch die verwilderte Landschaft, ohne einem einzigen Menschen zu begegnen. Allmählich glaubte Trevir zu verstehen, wie ein ganzes Heer unsichtbar werden konnte. Eines Abends kam es zu einer ernsthaften Aussprache zwischen dem Großen Styfic und seinem Gehilfen.
    »Das Land ist verflucht, Trevir. Die Wege sind von Dornen überwuchert und in den Wäldern ist mit unseren Wagen kaum mehr ein Durchkommen möglich. Wenn wir noch weiter nach Osten ziehen, werden wir verhungern.«
    Der junge Hüter erwiderte gelassen: »Du hast eine Kiste voller Goldstücke in deinem Wagen, Styfic, und das meiste davon verdankst du mir. So schnell verhungern wir nicht.«
    »Gold macht nicht satt. Es nützt uns wenig, wenn wir keinen Markt finden, wo wir damit etwas kaufen können.«
    »Ich kann uns ja ein paar Hasen fangen.«
    »Natürlich kannst du das.« Styfic machte eine kreisende Handbewegung. »Mit deinen Versatzstücken.«
    »Es heißt Versetzen, meinetwegen auch ›Kunststück‹, aber nicht Versatzstück – wie oft soll ich dir das noch sagen?«
    »Du bist ja so gebildet! Dann wirst du bestimmt auch wissen, wo die nächste Stadt liegt, in der wir ein paar nette Vorstellungen geben können.«
    »Ich will nicht in die Stadt, sondern in den Wald.«
    »Wie bitte? Bis jetzt hast du nur vom Osten geredet.«
    »Der Kentish Weald liegt im Osten.«
    »Schlag dir das aus dem Kopf. Im Wald gibt es kein Publikum.«
    Trevir ahnte, dass die Stunde des Abschieds gekommen war. Um von Styfic entlassen zu werden, musste er ihn ein wenig einschüchtern. »Wie wäre es mit dem Schwarzen Heer?«
    Der Magier wurde so bleich, wie er es sonst nur mit Schminke schaffte. Betont langsam fragte er: »Was willst du damit andeuten?«
    »Ich suche Molog.«
    »Der Wahnsinn hat von dir Besitz ergriffen! Du bist verrückt! O Unglück…!«
    »Styfic!«, unterbrach Trevir den theatralischen Vortrag. »Ich weiß, dass du nur ungern den Verlust an Einnahmen hinnehmen möchtest, den mein Weggang von der Truppe für dich bedeuten würde, aber mein Entschluss steht fest: Ich muss Molog finden.«
    »Du willst ihm doch nicht etwa als Kampfgenosse dienen?«
    »Traust du mir das ehrlich zu?«
    »Nein.«
    »Ich habe keine andere Antwort von dir erwartet, denn sonst hätte ich dir meine Pläne nicht verraten. Styfic, ich mag dich. Aber es ist das Beste für uns, wenn wir uns trennen. Morgen früh verlasse ich euch.«
    Der Große Styfic seufzte tief und schüttelte voll Seelennot den Kopf. »Was für ein Jammer!«
     
     
    Seit Trevir die Gauklertruppe verlassen hatte, kam er wesentlich schneller voran. Die Vorstellung, bald dem furchtbarsten Kriegslord von Trimundus gegenüberzustehen, versetzte ihn in eine seltsam bleierne Erregung. Erst allmählich wurde ihm klar, dass dieses Gefühl jener Unruhe glich, die er vor dem Überfall auf die Einsiedelei des Dreierbunds und auch vor etwa zehn Monaten in Mologs Verlies gefühlt hatte. Er lernte also dazu. Früher war er eher zufällig auf seine Gaben gestoßen, jetzt setzte er sie immer geschickter ein. Fast wie eine winzige Spinne, die ihr weitflächiges Netz überwacht und bei seiner geringsten Erschütterung reagiert, begann er die Kräfte des Triversums zu erfühlen und sie sich zunutze zu machen. Nun war diese Methode jedoch

Weitere Kostenlose Bücher