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Die unsichtbare Pyramide

Titel: Die unsichtbare Pyramide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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auf einer Steinplatte ein gefesselter junger Mann, fast noch ein Knabe. Der Priester schickte sich an, den Gebundenen mit einem blauen Kristalldolch zu opfern. In einem archaischen, kaum verständlichen Singsang beschwor er die Heilige Triade. »Was hier unten ist, ist gleich dem, was oben ist«, hörte Topra heraus. Und: »Gebt Euren Segen, damit die Kräfte von Himmel und Erde vereint werden. Nehmt das Blut dieses Opfers und verwandelt es in reine Macht…« Urplötzlich wurde das unheimliche Treiben gestört. Ein gewaltiger Blitz ließ das Gewölbe erstrahlen und verzehrte alle Konturen. Die Welt schien mitten entzweigerissen zu werden. Dann kehrte Ruhe ein. Das Gleißen erlosch. Der junge Mann war allein. Er erhob sich von dem Opfertisch – seine Fesseln waren von ihm abgefallen –, und verließ den schaurigen Ort. Die Gefahr schien abgewendet. Im letzten Moment.
    Topra erwachte.
    Die Sterne zogen auf ihrer Bahn über ihn hinweg. Was hier unten ist, ist gleich dem, was oben ist. Die Worte des Priesters hallten in seinem Bewusstsein wider. Auch hatte der kahlköpfige Mann die Kräfte von Himmel und Erde erwähnt. Was bedeutete »Erde«? Hatte er von einem längst vergessenen Gott gesprochen? Topra fühlte sich in höchstem Maße beunruhigt. Es war einer jener Träume gewesen, die man nicht gleich wieder vergaß. »Es ist wirklich passiert«, murmelte er mit einem Mal. Er glaubte sich dessen ganz sicher und schüttelte fassungslos den Kopf. »Und es wird wieder geschehen.«
     
     
    »Ich war heute in aller Frühe bei den Ältesten und konnte sie von unseren friedlichen Absichten überzeugen. Nun, eigentlich bin nicht ich das gewesen, sondern der Mann, den ich dir mitgebracht habe.« Fürst Asfahan lächelte auf eine wissende Weise.
    Topra frühstückte gerade mit seinen Gefährten unter einem zeltähnlichen Sonnendach. Er konnte nicht genau erkennen, wer da draußen, halb verdeckt von einem Palmenstamm, wartete. »Du machst es aber spannend, Asfahan. Kann uns dein Fürsprecher etwas über Hobnaj sagen?«
    Der Fürst grinste. »Das dürfte ihm nicht schwer fallen. Er ist es selbst.«
    Topra ließ vor Schreck seine Reisschale fallen. Mit einem seltsam zähen Gefühl in den Gliedern erhob er sich und schleppte sich ins Freie. Asfahan blieb dicht hinter ihm, weil er ernsthaft fürchtete, der junge Seher Takuba könne zusammenbrechen.
    Sprachlos blieb Topra vor dem Fremden stehen. Der war ziemlich groß, nein, ein schwarzer Riese! Nie hatte der weit gereiste Sohn von Jobax einen solchen Hünen gesehen. Der gewaltige Körper des Nubiers steckte in einer ärmellosen Weste und hellblauen Pumphosen. An den Füßen trug er Sandalen, auf dem Kopf eine schwarze Kappe, um die sich ein weißes Turbantuch schlang. Er hatte das Gesicht eines Weisen, nicht in dem Sinne, dass es besonders runzlig gewesen wäre – nur auf der Stirn und in den Augenwinkeln konnte Topra eine kleinere Anzahl Falten entdeckten. Aber Hobnajs Augen zeugten von Erfahrungen, die nur wenige Menschen in einem Lebensalter sammeln konnten. Unterstrichen wurde dieses Bild von dem kurz geschnittenen Vollbart und dem ebenfalls sauber gestutzten, krausen Haupthaar, das von zahlreichen grauen Strähnen durchzogen war. Obwohl der Nubier die Lebensmitte schon vor Jahren überschritten haben musste, war er alles andere als ein Greis. Weder die straffe Haut über seinen gewaltigen Muskeln noch die Haltung ließen auf jemanden schließen, der sich zur Ruhe gesetzt hatte.
    »Bist du krank?«, eröffnete der Hüne das Gespräch.
    Topra erwachte aus seiner Benommenheit und straffte die Schultern. »N-… Nein. Ich kann nur noch nicht fassen, Euch zu sehen, Fürst…«
    »Sag Hobnaj zu mir. Wenn du der bist, für den Fürst Asfahan dich ausgibt, dann war ich der Sklave deiner Mutter, und die tragen keine Titel.«
    »Und wenn du derselbe bist, der mich an Bord von Kapitän Jobax’ Dhau, der Tanhir, versteckt und mir damit das Leben gerettet hat, dann verdienst du alle Ehre, die ich dir geben kann.« Topra hatte seinen Mut zurückgewonnen.
    Die Augen des Nubiers erstrahlten. »Topra! Du bist es wirklich! Darf ich… Nur damit kein Missverständnis…«
    »Das Muttermal sehen?«, erriet Topra. Er machte Anstalten, sich aus dem weiten Teguargewand zu pellen, aber Hobnaj hielt ihn zurück.
    »Nicht hier! Lasst uns ein Stück in die Wüste gehen.«
    Asfahan war in die Geheimnisse seines jungen Freundes eingeweiht, weshalb Topra das Verhalten des Nubiers ein wenig merkwürdig

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